Von Matthias Bosenick (29.02.2024)
Aber warum nicht mehr auf addicted/noname? Ihr neues Album „Dissolution“ veröffentlichen Crust aus Weliki Nowgorod (Вели́кий Но́вгород) in Nordwestrussland auf dem italienischen Label Avantgarde Music. Ansonsten bleibt alles wie gehabt: Das Trio schert sich einen feuchten Kehricht um Genregrenzen und bringt alles zusammen, was dreckig ist und irgendwie mit extremen Spielarten des Metal zu tun hat, und weil extrem allein auf Dauer langweilt, sind die drei auch noch ausnehmend virtuos und leben ihre Spielfreude voll aus. Hier treffen Doom und Sludge auf Death und Thrash, etwas klassischer Heavy Metal, modernerer Black Metal und Punkrock mogeln sich auch auf die Bänder. „Dissolution“ ist das fünfte Studio-Album in fast zehn Jahren, und jedes Album von Crust lohnt sich.
Die Kunst von Crust liegt darin, die ganzen Stilsuppen so zusammenzurühren, dass die Rezepturen schmackhaft bleiben. Souverän überschreiten die drei Musiker die Grenzen und lassen gar nicht den Gedanken aufkommen, dass hier irgendwas ursprünglich gar nicht zusammengehören könnte. Es gehört und das ganz natürlich. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass das Album zu keiner Zeit gleichförmig wirkt: Immerzu passiert etwas, das man zwar nicht vorhersehen kann, das einen aber überzeugt, weil es eben so gut passt.
Kaum speeden die drei mächtig los und lassen Blast Beats vom Stapel wie im Black Metal, da brechen sie den Rhythmus schon auf einen mithüpfbaren Thrash Metal herunter und lassen zwei Gitarren wie im klassischen Metal umeinander kreisen. Soli gibt’s ohnehin zuhauf, immer wieder eingestreut in die Passagen aus Doom, Sludge, Speed, Death und sonstigem Metal. Oder Punk und Polka. Oder Industrial und Post Rock. All diese Genres beherrschen die drei aus dem Handgelenk, lassen sie im Blindflug ineinanderfließen, generieren einen wilden Ritt, der dabei auch noch warm, harmonisch und melodiös sein kann, da kennen sie nix und machen trotzdem Lärm. Und die Stimme passt dazu: Geschrei in höheren Lagen, rauh und dreckig. Und interessant: Klischees lassen die drei mit ihrer Mixtur gar nicht erst aufkommen.
Bei den Dreien handelt es sich um Sänger und Bassist Arthur Filenko (parallel bei Swale und einst bei Mortuary Division), Gitarrist und Effektmanager Vlad Tatarskiy (nebenbei bei Sönma und G.R.I.T.H.) sowie Schlagzeuger und zweite Stimme Roman Romanov (ebenfalls noch bei Sönma). Nur zu dritt sind sie auf „Dissolution“ indes nicht, Ivan Targonskiy spielt bei drei Songs die zweite Gitarre, und das kommt jedes Mal gut. Seit 2014 gibt es Crust, 2015 erschien die selbstbetitelte erste EP, 2017 als viertes das Mini-Album „Animals Of The Concrete Forest“, das Debüt-Album „The Promised End“ brachten sie 2019 heraus. Seitdem gab es haufenweise Singles, EPs und Live-Alben sowie jetzt mit „Dissolution“ das fünfte Studio-Album. Und jedes von ihnen ist ein Fest!