Von Matthias Bosenick (11.08.2020)
Erster Eindruck: Wenn jemand so schamlos bei Fugazi klaut, gehört ihm die Existenzberechtigung entzogen. Weil, Fugazi gibt’s ja schon. Erste Recherchen ergeben: Ach, Coriky sind Fugazi! Zumindest Teile davon, Ian MacKaye und Ehegattin Amy Farina nebst Joe Lally. Die dürfen das natürlich! Das selbstbetitelte Debütalbum ist ein schwungvoller Rückgriff auf die eigene Musikhistorie, heißt: Post-Hardcore mit groovenden Singalonganteilen, also gar kein Hardcore mehr genaugenommen, noch und wieder ohne die wild verschachtelten Freejazzelemente der späteren Fugazi, dafür mit Experimenten und mehr Lebenserfahrung. Und hörbar Bock auf so’ne Musik.
Schon der Opener, die Vorabsingle „Clean Kill“, setzt sich im Ohr fest. Das könnte glatt schon so früh der Song des Jahres sein. Amy Farina klopft punktgenau auf die Elemente ihres Schlagzeugs, und das müssen nicht immer die Felle sein, es klickert und klackt, Joe Lally meidet die Achtel für seine Bassläufe und Ian MacKaye setzt seine Gitarre gleichzeitig rhythmisch und melodisch ein, nach einer Weile des stilleren, aber kaum weniger dringlichen Anlaufs. Da sie alle drei singen, kann man dies nur als Auffassung zum Mittun auffassen und – nun: mittun. Alles ist so vertraut, so staubtrocken, so leer und doch voller unsichtbarem Groove, als wäre es noch gerade so maximal Mitte der Neunziger und die drei Musiker aus Washington D.C. hätten ihre jugendliche Schnauze voll. Anlass genug dafür gibt es hinreichend in den USA, und „Clean Kill“ handelt von Korruption, was Wunder.
Und so nimmt das ganze Album seinen Lauf, mit abwechselnden Tempi, sehr diversen Arrangements, so divers, wie man sie als Dreipersonenrockband im Sinne klassischer Dreierbesetzungen nur hinbekommen kann, und stets mit dem alten Sound von Fugazi, den MacKaye und Farina zuletzt noch als Duo The Evens auslebten und Lally erst kürzlich mit The Messthetics. Laut-Leise-Dynamik, klar, Stop-and-go-Riffs, Rumkrakeelen, Gerumpel, Experimente, Melodien, atmosphärische Passagen, Entschleunigung, Intensität ohne Vollgas; beim Zuhören gerät man unweigerlich ins Zappeln. Und das auch noch mit Botschaft. Auf den Brüllhardcore, den Rumpelhardcore, den Indiefressehardcore verzichten Coriky komplett, wer darauf steht und mal nachhören möchte, was aus den Protagonisten der ersten US-Hardcorewelle um Minor Threat, Rites Of Spring und Embrace so geworden ist, wird an Coriky zu knabbern haben.
Bereits seit fünf Jahren sind die drei in dieser Konstellation aktiv, brauchten aber noch einige Zeit bis zum ersten Gig und überhaupt zum Bandnamen. Aber das ist alles nicht so wichtig, die Mucke lebt. Und wie: Man hört die Freiheit atmen, die Freiheit, auf dem eigenen Label einfach keine Erwartungen erfüllen zu müssen, sich austoben zu dürfen, trotz aller Empörung gute Laune in die Songs einfließen zu lassen und immer auch Botschaften mitzubringen. Und sei es die, das Album wegen Corona nicht bereits im März, sondern erst im Juni zu veröffentlichen, damit die vom Lockdown betroffenen Plattenläden es nach der Wiedereröffnung doch noch anbieten können – gegen den Onlinehandel. Die Schallplatte ist selbstredend im Riptide erworben.