Von Matthias Bosenick (15.03.2024)
Da geht immer noch einer mehr: Chatte Royal spielen nicht einfach Math Rock, sie spielen Post Math Rock! Also Rockmusik mit harten, komplexen Strukturen und epischen flirrenden Passagen durcheinander. Warum aber trauen sich die Belgier nicht, das Wort „Fucking“ zu schreiben, und benennen ihr Debütalbum offiziell „Mick Torres Plays Too F***ing Loud“? Jedenfalls übertreiben es die vier aus Mons nicht mit ihrer Frickeligkeit und halten ihre instrumentalen Tracks bei aller Kunst hinreichend nachvollziehbar. Und Kunst können sie, das Album hat ein angenehm hohes Tempo und überfordert trotzdem nicht. Miau!
Zwischen Eruption, Kunst und Fläche changieren die acht Tracks auf diesem Debüt. Mal brechen die vier Musiker in Riffs aus und hauen den Hörenden heavy, aber warme Gitarrenbrocken vor die Füße, nur um dann gleich in introvertierte Versunkenheit zu verfallen und fein ziseliert vor sich hin zu gniedeln. Und von dort aus in hoch gespielten Lagen einen Teppich drüberzulegen, den man durchaus mit dem Etikett Post Rock versehen kann. Und wieder von vorn, dieses Mal gern auch mal mit einer Kombination aus aggressiv-heavy und frickelig.
Interessanterweise gelingt den Belgiern dabei ein Spagat: Einerseits belegen die kunstvollen Sequenzen eine Fingerfertigkeit, die die Musiker auch bei einigem Tempo und aufgedrehten Verzerrern fehlerfrei umgesetzt bekommen, andererseits verbreiten sie damit keinen Stress, wie es beim Math Rock oftmals der Fall ist. Schnell und hart ja, hektisch nein. Und andererseits schieben sie immer wieder chillige Augenblicke dazwischen. Man fühlt sich angeregt, aber nicht überfordert.
Mit ihrem Debüt schließen die Belgier direkt an die erste EP „Septembre“ aus dem Jahr 2020 an, so gibt es nämlich die Fortsetzung des Tracks „Victoria Wong Pt 1“ auf dem Album zu hören. Die sparten sie sich dafür auf der dazwischen veröffentlichten EP „Petit Pansement“ im Jahr 2022 noch aus. In wieweit das Quartett damit die Violinistin Victoria Wong meint, bleibt unklar, da die Tracks ja ohne Text auskommen. Ebenso unklar bleibt, was genau Mick Torres so verdammt laut spielt – schließlich ist er TV-Serien-Schauspieler. Mit Bewegtbildern haben es die Belgier überhaupt, ein Track auf dem Album heißt „Marty Mc Fly“.
Hinter Chatte Royal steckt hauptsächlich Diego Di Vito, der auch bei einer anderen Band mit königlichem Namen Gitarre spielt, nämlich We Stood Like Kings. Seine Mitstreiter hier sind Jazzer Téo Crommen (von Green Moon und Oakset Trio) an Gitarre und Mandoline, François Hannecart (auch bei der Jimi Connors Experience) am Bass und Dennis Vercauteren (war bereits an Aufnahmen von Téo und dessen Vater Thierry Crommen beteiligt) an Schlagzeug und, äh, Videospielen. Das erklärt natürlich die verspielte Musik, die bei Chatte Royal herauskommt.