blackhole-factory – Moments Of Dilated Time – blackhole-factory 2025

Von Matthias Bosenick (18.06.2025)

Zeit ist das, wovon wir am meisten haben, sagt Arni immer, und das Duo blackhole-factory weiß sogar, wie man diese Zeit noch erweitert: „Moments Of Dilated Time“ heißt das neue Album mit futuristisch verfremdeten Sounds, die Martin Slawig, eine Hälfte des Duos aus Hannoversch Münden, seit 2011 ansammelte. Man kann bei den zwölf Tracks vorrangig von einer Art Ambient sprechen, erweitert um Verfremdungen, Bearbeitungen, Manipulationen, die die Entspannung begleitend bisweilen das Hören herausfordern, mit harschen Geräuschen, kuriosen Rhythmen und anderen unerwartbaren Experimenten.

Wenn eines sicher ist, dann, dass man bei Alben aus dem Hause blackhole-factory immerfort mit dem Unberechenbaren rechnen muss. Man kann dieses Album zwar chillig im Hintergrund laufen lassen, doch sollte man sich bewusst sein, dass Slawig hier das Chillige schnell mal torpedieren kann. Das Album beginnt wie Entspannungsmusik, mit beruhigenden Klängen in beruhigender Tonlage, die an- und abschwellen, doch schleicht sich bereits im Opener ein dezentes Knirschen und Knistern ein und erheben sich die Töne gelegentlich in Höhen, die der Entspannung eher abträglich sind. Damit bereitet Slawig die Hörerschaft darauf vor, dass man es hier eben nicht mit Chillout zu tun hat, sondern mit – ja, was eigentlich? Kunst?

Grundsätzlich ist es Musik, auch wenn sie nicht den gängigen Formen entspricht. Beinahe allen seiner zwölf Tracks legt Slawig so etwas wie Drones unter, also einen Soundteppich, auf dem er die Zutaten anrichtet; der vierte etwa bildet da eine Ausnahme, hier hängen die Geräusche in der Luft. Solche Geräusche, die hier das Bild formen, können an alte Modem-Einwählsounds erinnern, nach elektronisch generiertem Blubbern klingen, nach Electro-Glitches, nach Knistern, Klackern, Klöppeln, Rascheln. Erst der fünfte Track bringt ein rhythmisches Element ein, weckt die Hörenden schier auf, mit tropfenartigen Beats. Der sechste Track beinhaltet einen meditativen Glockenschlag und der elfte arbeitet mit dem Echo des Dub. Viel los also in diesem Ambient.

Die Auswirkungen dieser Sounds sind unterschiedlich, manche entspannen in Tateinheit mit den Drones, manche könnten einem Horrorfilm unterlegt sein, manche erscheinen fiebrig oder aufgebracht und fast alle fordern das Vorstellungsvermögen heraus, weil man ermitteln möchte, was denn wohl die Quellen dieser Sounds sein könnten. Denn Slawig lässt wissen, wie er dieses Album generierte: Ohne Zeitdruck stellte er seine Gerätschaften in die Gegend, hantierte mit vorhandenen Objekten und mitgebrachten Percussion-Instrumenten herum, richtete ein Kontaktmikrofon auf sie, verinnerlichte die so entstehenden Sounds und modulierte sie live am Laptop vermittels einer selbstprogrammierten Software und manipulierten Controllern. Genau so bekommen wir sie nun auch zu hören.

Man mag sich so richtig schön ausmalen, wie Slawig da irgendwo an der Weser herumhängt, einen Grashalm im Mund, kurioses Equipment um sich drapiert, der Schnecke ausführlich beim Kriechen zuguckend und versunken mit Zeug hantierend, das halt so in der Gegend herumliegt. Diese unaufgeregte, beinahe beiläufige Herangehensweise überträgt sich aufs Hören, man versinkt in diesen Momenten der erweiterten Zeit, die Slawig hier festhält, und geht in diesen vielseitigen Tracks auf Entdeckungsreise. Am Ende ist man überrascht, wie kurz so eine Stunde sein kann, so kurzweilig sind diese Experimente.

Die Titel der Tracks sind lediglich Ziffernfolgen, vermutlich Jahr-Monat-Tag; der erste Track etwa heißt „110713“, da könnte es auch umgekehrt sein, aber da der fünfte Track „121231“ heißt, ist eher von ersterer Annahme auszugehen und jener Track somit wohl an Silvester 2012 entstanden, knallt aber eher mit Wasser als mit Feuerwerk.