Von Matthias Bosenick (10.10.204)
Noch so ein Vermächtnis, das die Leute von Sireena aus dem Nirwana zurückholen: Bastard war eine von AC/DC beeindruckte End-Siebziger-Hardrockband aus Hannover, die es auf lediglich zwei Studioalben brachte. Als Schwanengesang veröffentlichte die Gruppe 1980 auf dem lokalen Indie-Label Lava Records die Zusammenstellung zweier Konzertmitschnitte als „Live And Alive“, auf der sie ihre Riffs erst so richtig aus der Hüfte feuerten. Das gibt’s jetzt erstmals auf CD und im Stream – und es ist die Neu- und Wiederentdeckung wert.
Wenn man sich schon beim Classic Rock bedient, weil man einfach zu der Zeit loslegt, zu der diese Art der Rockmusik noch State Of The Art war und noch nicht retrospektiv als klassisch etikettiert, dann bitte gern bei denjenigen Vertretern, die unpeinlich rocken. Keine Cowbells, kein Free, kein Uriah Heep, kein CCR, keine peinlichen Mitgröl-Hymnen, auch wenn das Publikum am Ende eine Animation erfährt: So sehr die Band seinerzeit auch AC/DC in den Mittelpunkt ihrer Inspiration rückte, so sehr feinden sich aber auch andere Einflüsse, etwa die Kombination aus Riff und Gesangsmelodie von Thin Lizzy in „Danger Of Fire“ oder „Are You Ready“, die bei den Nordiren stets etwas weniger eingängig ausfiel als bei den Australiern. Der Rauswerfer „Can’t Get Enough“ übernimmt den Status-Quo-Boogie, das Twin-Solo erinnert wiederum an Thin Lizzy. Analogien zu anderen Zeitgenossen finden sich noch einige mehr, aber klar, viele Licks lassen sich einfach direkt auf AC/DC zurückführen, die Ähnlichkeit ist klar gegeben, ausgeprägt etwa in „I’ve Got The Feeling“, und doch ist die Note von Bastard erstmal eigen genug.
Auch bei Bastard gewinnt die Kraft der zwei Gitarren, hier grooven Rhythmus und Lead im Wettbewerb zu Bass und Schlagzeug. Einzig die Stimme erinnert an die von Free-Sänger Paul Rodgers, aber eingebettet in die attraktivere Musik fällt das nicht unangenehm auf. Die Aufnahmen zu „Live And Alive“ fanden bei Konzerten in Hamburg und Kiel statt, die Band bestand aus den Gitarristen Hans-Ulrich „Ulli“ Meißner und Keith Kossoff aka Günther Gruschkuhn, Sänger und Bassist Karl-Heinz „Kalle“ Rothert und Schlagzeuger Thomas „Toto“ Korn. Zwei Ex-Mitglieder zählte die Band zu der Zeit bereits, bis auf Gruschkuhn legten die anderen ihre Aliasse längst ab – Carlos Bastardos, Theo Tremolo und zumindest anteilig Toto Petticoato. So richtig viele Nachfolge-Bands finden sich nicht, Rated-X von Rothert lässt sich ermitteln.
Mehr als das sollte es mit Bastard trotz einiger Aufmerksamkeit kaum werden – Vorprogramm von AC/DC, die Single „Back To The Nature“ erreicht Platz 4 in den Heavy-Metal-Charts des britischen Sounds-Magazins, Regisseur Avi Nesher leiert ihnen zwischen 1982 und 1984 (die Quellen sind da uneindeutig) zwei Songs für seinen Trash-Film „SHE – Eine verrückte Reise in die Zukunft“ aus den Rippen, die aber nie separat veröffentlicht wurden, heute erinnert sich noch Frank Schäfer an die Band, der sie auf dem zweiten Teil der sein gleichnamiges Buch begleitenden Compilation „Heavy Kraut“ berücksichtigt. Und Sireena bringt dieses Live-Relikt unter die Leute – verdient, die Zeitreise lohnt sich. In die Vergangenheit indes, die Zukunft von 1980 klang dann doch anders.