Von Matthias Bosenick (10.08.2020)
Von dem freundlichen Intro mit Akustikgitarre und Cello sollte man sich nicht beirren lassen: Auf „Ofte jeg drømmer mig død“, dem zweiten Album von Afsky, hat man es mit Black Metal zu tun. Mit der postmodernen atmosphärischen Variante, also der, die man sich schmerzfrei anhören kann, die nämlich die Basiselemente mit genrefremden Anteilen zu etwas Gutem transferiert. Die Musik blastbeatet nicht nur, sondern lässt Raum für Atmosphäre – unabkömmlich im Post Black Metal – und Groove. Da Ole Luk – ansonsten bei Solbrud – aber weiß, wo Bartel den Most holt, fällt er zu keiner Zeit in den Verdacht, seine Idee von Black Metal mit Weichspüler durchtränkt zu haben. Sein Debüt „Sorg“ ist damit sogar noch gesteigert.
Die Gitarre klingt etwas wärmer als auf dem Debüt und der EP, und das ist gut so. Zwar liegt dem klassischen Black Metal eine grundsätzliche Kälte inne, aber wenn man das Genre schon aufbricht, dann darf man auch diesen Aspekt verändern. Der Gesang ist zwar eher hoch und gepresst, aber nicht gekeift, auch das ist angenehmer für die Ohren. Dazu kommen die abwechslungsreichen Songstrukturen, die zulassen, dass die Musik einerseits irrwitzig schnell voranprescht, dies aber nur, um – wie im Black Metal üblich – einen Soundteppich zu legen, der einem heavy Groove dienlich ist, und die andererseits diesen Fluss mit nicht nur beinahe schönen stillen Instrumentalpassagen in andere Stimmungen übertragen, die, ähnlich der Musik seiner Kollegin Myrkur, gelegentlich in die Folklore neigen. Langweilende Gleichförmigkeit findet hier absolut nicht statt, das Album ist mit musikalischen Überraschungen nur so gespickt. Und was wäre der Black Metal ohne hymnische Gitarren und den Dreivierteltakt!
Als Grundlage für seine Songtexte bedient sich Luk bei den Dänischen Dichtern Hans Christian „H.C.“ Andersen, Emil Aarestrup, Sofus Clausen, Jeppe Aakjær sowie bei einem unbekannten Autoren. Diese Auswahl unterstreicht seine gesellschaftliche Haltung: Es geht um die schmerzhaften Schicksale der Bauern und Arbeiter, um Ausbeutung und Leibeigenschaft, um klassische Sozialdemokratie mithin und somit nicht um die typischen antikirchlichen Stereotype, die das Genre in seinen Ursprüngen bediente. Auch damit bricht Luk also mit dem klassischen Black Metal, der auf Zerstörung und Subversion aus ist; sein Black Metal ist ein wertvoller Träger von Botschaften. Zudem setzt Luk dem streckenweise ins Rechte abgedrehten Black Metal mit seinem Album eine eindeutig linke Position entgegen; und auch trotz eingestreuter Folkelemente feiert Luk hier nicht das Nordische oder die antichristliche Odinverherrlichung, sondern die nordische Folk Music als solche.
Passend zur Dichtung ist überdies auch die Covergestaltung gehalten: Es zeigt einen Ausschnitt aus dem Gemälde „Udslidt“ („Abgenutzt“) des sozialrealistischen Dänischen Malers Hans Andersen Brendekilde aus dem Jahr 1889, das in Odense im Kunstmuseum Brandts zu sehen ist, das wiederum – typisch Dänemark – vor diesem Gemälde eine Livesession mit Luk an der Akustikgitarre und einer Cellistin veranstaltete. Das sind mal Berührungsängste.
Und die Themen passen zur Musik, die Luk selbst zwar als „Depressive Black Metal“ bezeichnet, aber da kann man getrost mit ihm drüber diskutieren, denn melancholisch sind die Stücke zwar sehr wohl, nur nicht depressiv, und eben auch aggressiv und wütend und zudem derartig warm, dass man von der titelgebenden Todessehnsucht weit entfernt ist; so lang es Alben wie diese gibt, lohnt es sich zumindest zu leben, da würde man ja etwas verpassen.
Man kann sich bei dem Sound überdies gar nicht vorstellen, dass Luk das Album tatsächlich als Einmannprojekt eingespielt haben soll. Live zumindest steht ihm eine Band zur Seite und für das Schlagzeug erhielt er außerdem Unterstützung. Und „Abscheu“, so die Übersetzung des Projektnamens, mag man seinem Gesang vielleicht anhören, ihm gegenüber entwickeln kann man die nicht. Zudem ist es beruhigend, zu wissen, dass man es mit einem fröhlichen, gutgelaunten Menschen zu tun hat, der strahlend wie die helle Sonne durch Nørrebro flaniert. So nimmt es nicht Wunder, dass er den Hörer nach einer Dreiviertelstunde beinahe positiv gestimmt aus dem Todesalbum entlässt. Mit Vogelgeszwitscher!
Das Album gibt es überdies in verschiedenen fabelhaften Vinyl-Versionen, die allesamt recht schnell vergriffen sind. Ein 24-seitiges Booklet mit allen Texten liegt der Schallplatte bei. Und es lohnt sich natürlich auch, sich gleich mal die Alben von Luks Hauptband Solbrud zuzulegen. Die Todesthematik liegt Luks Wirken übrigens schon seit seinen musikalischen Anfängen inne: „Dødningehjem“ lautet der Titel des Demos seiner frühen Band Yea And The Moon.