Von Matthias Bosenick (21.12.2017)
Nach der zweiten Reunion würdigt die alte Dame MTV, die ihren Status als Musikfernsehsender zurzeit zurückerobern will, Norwegens größte Popband a-ha mit einem Auftritt in der Markenreihe Unplugged. Fast zwei Stunden lang spielt sich das Trio mit Anhang durch 33 Jahre Existenz seit „Take On Me“, inklusive exklusiver neuer Songs. Morten Harkets Stimme sitzt bis in höchste Höhen, der unscheinbare Hauptsongschreiber Pål Waaktaar-Savoy klimpert unscheinbar auf der Akustischen und der Sidekick Magne Furuholmen gibt den Konferencier. Die Musik erhält akustisch bisweilen eine unerwartete Portion Würde, jedoch können die drei Streicherinnen nicht die opulenten Flächen mancher Originale rekonstruieren. Gediegene Interpretationen des qualitativ zwar wechselvollen, zumeist aber großartigen Oeuvres.
Morten Harket kann singen. Sowas von ausdrucksstark. In allen Tonlagen, bis hin zur „High Note“, die einmal sogar Bestandteil des Titels eines Livealbums war, dem zum zweiten Split der Band. Interessanterweise sitzt der respektable Mann fast das gesamte Konzert über wie ein Gesangsapparat auf seinem Hocker und guckt wahlweise konzentriert oder apathisch irgendwohin (lustigerweise in einer Jeans mit Loch überm Knie, wie auf dem Poster aus der Bravo von 1985). Gehen wir wir von ersterem aus, muss deutlich mehr in seiner Kunst liegen, als es das schnöde Popformat vermuten lässt, innerhalb dessen sich a-ha seit Anbeginn bewegen. Aber a-ha waren ja schon immer im Rahmen des Pop jenen sprengend. Guter Pop ist komplex, das belegten schon die Nachbarn von Abba.
Die bisweilen launigen Ansagen und Geschichten gibt Magne Furuholmen von seinem Platz am Flügel aus zum Besten, während der musikalisch wichtigste dritte Mann, Pål Waaktaar-Savoy, schweigsam unter seinem Hut an der Gitarre zupft. Um die kreisrunde Bühne herum drapiert sind weitere Musiker, darunter ein großartiger Schlagzeuger, drei Streicherinnen und noch einige mehr. Das Streichtrio ist Stärke und Schwäche gleichermaßen: Einerseits unterstreicht (ha, ha) es den Kulturaspekt, den die gereifte Ex-Teenie-Band mit diesem Auftritt herausarbeiten will, andererseits ist sein Sound an manchen Stellen zu dünn im Vergleich zu den Originalsongs, die häufig wuchtig und opulent aus den Boxen dringen. Flügel und akustische Gitarre sind naturgemäß auch nicht zu mehr Fläche in der Lage. Die kommt an manchen Stellen vom Chorgesang der Musiker, und der kommt dann gut. Für den vernünftigen Unterbau sorgt der Bass, der hier die Songs auf weiten Strecken trägt. Schräge oder mutige Sounds (oder auch Lieder aus dem umfangreichen Fundus) sind indes Fehlanzeige. Verantwortlich zeichnet dafür allerdings niemand aus der Band, sondern Produzent Lars Horntveth.
Bemerkenswert sind zwei der vier Gastsänger, die den Hocker neben Harket einnehmen: Ian McCulloch und Alison Moyet. Ersterer singt das Titellied des zweiten a-ha-Albums mit, „Scoundrel Days“, und Morten revanchiert sich anschließend mit McCullochs „bestem Song“ seiner Band Echo And The Bunnymen, „The Killing Moon“. Ein wenig desolat wirkt der struppige Mann allerdings schon. Anders Zweitere, die mit ihrem tiefen Organ „Summer Moved On“ veredelt. Und quasi mit einem Lufthauch die anderen beiden Gastsängerinnen davonfegt: Lissie (eine US-amerikanische Singer-Songwriterin, die im knappen Unterhemdchen eine befremdliche Figur macht) und Ingrid Helene Håvik (die ansonsten mit Highasakite Pop macht und im Trondheim Jazz Orchestra, nun, Jazz). Beide haben recht dünne Stimmchen, die die an sich großartigen Achtziger-Hits „I‘ve Been Losing You“ und „The Sun Always Shines On TV“ nicht bereichern.
Beide Stücke sind übrigens Beispiele dafür, wie das Besondere an manchen a-ha-Songs in diesem an sich häufig hochklassigen Live-Format verlorengeht. Das Ungehobelte, Rockige, Temporeiche kommt zugunsten des Seichten abhanden. Einerseits bedienen a-ha das starre Format von MTV perfekt, andererseits reduzieren sie ihre eigene Kunst aufs Gefällige. Das Publikum feiert es (und wischt sich am Schluss bei der extrem reduzierten Debütsingle „Take On Me“ sogar die Tränchen weg); die Achtziger-Songs erinnern an die Jugend, die späteren ans Bügeln zum Formatradioprogramm, so kommt jeder auf seine Kosten. Natürlich ist es interessant, zu erfahren, was alles in den von Anfang an belächelten Liedern von a-ha steckt (wer Ohren hatte, zu hören, wusste dies indes ebenfalls von Anfang an); insofern stellt diese Aufnahme sehr wohl eine Bereicherung im a-ha-Kanon dar. Ja, die können was. Mehr Mut bei der Umsetzung und bei der Songauswahl wäre aber erfreulich gewesen. Immerhin: Die besseren Gastsänger als Peter Maffay, der parallel sein eigenes Unplugged-Album herausbringt, haben sie allemal: Den Deutschrocker begleiten juvenile Schlagersänger.
Das Set gibt‘s als Doppel-CD, DVD, BluRay, Triple-LP und als Box mit Buch, beiden CDs sowie DVD und BluRay. Als Bonus gibt‘s auf den Bildträgern eine Viertelstunde Blablafilmchen.
Die Setlist:
This Is Our Home (neu)
Lifelines (von Lifelines, 2002)
I’ve Been Losing You (von Scoundrel Days, 1986)
Analogue (All I Want) (von Analogue, 2005)
The Sun Always Shines On TV (von Hunting High And Low, 1985)
A Break In The Clouds (neu)
Foot Of The Mountain (von Foot Of The Mountain, 2009)
Stay On These Roads (von Stay On These Roads, 1988)
This Alone Is Love (von Stay On These Roads, 1988)
Over The Treetops (von Analogue, 2005)
Forever Not Yours (von Lifelines, 2002)
Sox Of The Fox (neu)
Scoundrel Days (von Scoundrel Days, 1986)
The Killing Moon (Echo And The Bunnymen)
Summer Moved On (von Minor Earth Major Sky, 2000)
Memorial Beach (von Memorial Beach, 1993)
Living A Boy’s Adventure Tale (von Hunting High And Low, 1985)
Manhattan Skyline (von Scoundrel Days, 1986)
The Living Daylights (Single, 1987)
Hunting High And Low (von Hunting High And Low, 1985)
Take On Me (von Hunting High And Low, 1985)
Nicht berücksichtigt sind: East Of The Sun West Of The Moon (1990) und das schwache Album zum zweiten Comeback, Cast In Steel (2015).