Von Onkel Rosebud
Die Berliner New-Romantic-Band „Die Vision“, die wegen Klang und Rhythmus englisch sang, ist meine Zweit-Lieblingsband aus dem Land, was es nicht mehr gibt. Weil am nahesten dran an Joy Division, obwohl ich den Ian-Curtis-Kosmos erst nach Songs wie „Love By Wire“ oder „After The Sunset“ kennengelernt habe.
Die Gruppe (die nüscht mit der Reggae-Band aus Hannover zu tun hat) um den charismatischer Frontmann Uwe Niels von Geyer, der eigentlich schlicht Uwe Geyer heißt, machte für die Staatsführung nicht-konforme Unmusik, wegen der Sprache und der Melancholie. Deren Darkpop-Songs waren musikalisch mehr als nur Mittelmaß wie die aller anderen, „Love By Wire“ zum Beispiel erzählt die Geschichte eines Ost-West-Paares, das sich nicht treffen kann und nur über Telefon kommuniziert.
Außerdem waren Die Vision Kassetten-Weltmeister, vor allem von Live-Mitschnitten von zum Teil illegalen Konzerten, die ziemlich gut klangen und erstaunlich gut produziert waren. Da sie zuerst keine offizielle Auftrittserlaubnis hatten, die Staatsführung aber merkte, dass sie es vor dem Westen nicht mehr verbergen können, dass hier doch mehr los ist, als nur ein paar Punks, die sie 1985 von der Straße bekommen haben, blieb die Flucht nach vorn: erlauben, aber mit Einschränkungen. So wurde Die Vision einfach einverleibt.
Anfang der neunziger Jahre erschienen mit „Torture“ und „Fascination“ die beiden regulären Longplayer der Formation auf dem eigenen Label.
Ein veritabler Schock war es dann, als der Pop-Star Geyer nach der Auflösung von Die Vision als Moderator von sehr billig gemachten Musiksendungen wie „Dance Haus“ oder „Euro Tops“ des Mitteldeutschen Rundfunks in Erscheinung trat, da in diesen Formaten vor allem massenkompatibler Mainstream dargeboten wurde. Seine Aufgabe beschränkte sich darin, die Künstler kurz anzusagen, wobei er weder besonders motiviert noch wortgewandt wirkte. Auf seinen Namen war es aber zurückzuführen, dass die jeweiligen Gewinner Plüschtiere in Form von Raubvögeln überreicht bekamen. Noch schockierender hingegen war die Entdeckung, dass er außerdem ab 1985 als Informeller Mitarbeiter (IKMR/IMS) „Jean Bernell“, zunächst für die sogenannte K1, geheimdienstlich tätige Abteilung der DDR-Kriminalpolizei, und später auch für die Stasi tätig gewesen war.
Onkel Rosebud
P.S.: Die Lieblingsband kommt noch.
