Von Matthias Bosenick (02.12.2025)
„Endlich alt“, aber trotzdem Punkrock: 14 Songs in gerade 22 Minuten, so geht das auch dann, wenn man die wilden Jahre hinter sich hat, mitten im Leben steht, gewisse Verhaltensweisen einer Gesundheitsförderung unterwirft und die Welt trotzdem nach wie vor Scheiße findet. Wie wenig Bass man braucht, um druckvolle Stromgitarrenmusik hinzubekommen, belegt das ehedem von Braunschweig aus, nun über zwei Bundesländer verteilt agierende Brüderpaar Kackschlacht auf seiner fünften selbstbetitelten Vinylveröffentlichung. Hier gibt’s Power, Melodien, Hymnen, Tempo, Experimente, Party – und Ernüchterung.
Nur, weil es deutschsprachig ist, „Kackschlacht“ heißt und sich über Sachen lustig macht, ist „Kackschlacht“ längst kein Fun-Punk mehr. Die Brüder Thomas (Südostniedersachsen) und Timo (Ruhrgebiet) sind – eben – „Endlich alt“, sie betrachten die Welt mit anderen Augen, denn nicht nur sie selbst haben sich verändert, die Welt ebenso. Man kann ihr nicht mehr mit dem Blickwinkel von vor sieben Jahren begegnen, als das letzte Album „Kackschlacht“ herauskam, denn die Welt ist verrückter, als es sich das ironische Überdrehen hätte ausdenken können. Also gestaltet das Duo seinen Humor ernsthafter, heißt: ironisch, sarkastisch, schwarz. Dazu passt der Tonfall, in dem Gitarrist Thomas die Texte bellt, singt, grölt, in einer angenehm lebensrauhen Stimmlage, gelegentlich im Hintergrund unterstützt von Schlagzeuger Timo. Beide legen an ihren Instrumenten zudem bisweilen ein irrsinniges Tempo an den Tag, die Gitarre bratzt fett und das Schlagzeug klingt wie zwei. Einen Bass vermisst man nicht.
Dabei geht das Duo kompromisslos vor und lässt sich nicht auf ein Punk-Subgenre festlegen: Es gibt melodischen Punk zum Mitgrölen („Endlich alt“), Hau-drauf-Punk für den Pit („Leidenschaft“), Electropunk mit analogen Instrumenten („Mietleid/Mietlove“), Retropunk wie vor 45 Jahren, nahe Extrabreit („Das lange Leid“), Noisecore („Alle tot“), sogar Andeutungen von Surfpunk („Fahrgemeinschaft in den Abgrund“). Instrumental zaubern die beiden eindrucksvoll, etwa mit dem druckvollen Schlagzeugwirbel in „Für mich“, das Kackschlacht in die Nähe zu Lard rückt. „Was wollt ihr denn noch“ hämmert den Nimmersatten diese Frage mit Presslufthammer ins Hirn. Experimentelle Gitarrenlicks jenseits vom Pogopit erhöhen den Hörgenuss. Es gib immer wieder musikalische Momente, die etwas Vertrautes anrühren, doch man findet es nicht, weil Kackschlacht einen eigenen Weg einschlagen. Fun-Punk à la Abstürzende Brieftauben kommt einem beim Hören als Referenz eher weniger in den Sinn als etwa Hüsker Dü, Dead Kennedys, beschleunigte The Clash, vielleicht Fehlfarben. Aber eben nur als nebulöse Andeutung.
„Kackschlacht“ ist die fünfte Vinyl-Veröffentlichung von Kackschlacht, nach der „Kackschlacht“-LP 2018 und den drei Singles „Kackschlacht“, „Kackschlacht“ und „Kackschlacht“, erschienen zwischen 2013 und 2015. Eigentlich hatte es die Band gar nicht geben sollen, sie entstand 2012 spontan als Ersatz für einen ausgefallenen Act im Braunschweiger Nexus – und fand schneller Freunde, als die Band bis vier anzählen kann. „Kackschlacht“ dürfte den Kreis der Bewunderer, Freunde und Unterstützer noch erweitern.
Das Vinyl kommt mit Text-Einleger und wird damit noch wertvoller!
