Superchained – Symbolic – Bitume Prods 2025

Von Matthias Bosenick (03.11.2025)

In ganz vielen Retrokisten bedient sich Hugo Lanvin aus Frankreich für „Symbolic“, das zweite Album, das er unter seinem Alias Superchained herausbringt. Der Projektname deutet bereits in die Neunziger, und so verhält es sich auch mit der Musik. Indes startete er sein Projekt seinerzeit mit dem Schwerpunkt Grunge, den er auf dem neuen Album um Psychedelik und Indie-Pop aus England erweitert. Unter anderem – der Mann hat weit mehr Asse im Köcher und Pfeile im Ärmel.

Zunächst, als ab dem Opener „Born Again“, wähnt man sich nach Seattle Ende der Achtziger versetzt, in die Zeit vor dem Grunge-Boom, als die Gitarrenmusik bereits in Richtung Soundgarden deutete, aber noch eher dem alten Hardrock zugeneigt war. Schwerfällig, nicht schwermütig, lässt Lanvin hier Kopfnicker los, bereits vom ersten Moment an mit einer Eigenart versetzt, die sich durch das gesamte Album zieht: mehrstimmiger, harmonischer Gesang.

Für „Let’s Make Something“ schaltet Lanvin ganz unerwartet mit einem Slap-Bass den Funk dazu, ganz wie vor dreieinhalb Jahrzehnten die Red Hot Chili Peppers. Nur rapt er hier zur Musik, und zwar mit einem Akzent, der an London denken lässt. Wild! Etwas mehr Tempo gibt’s erst im vierten Song: „9:17“ zieht zwar an, aber reduziert die Wucht der Gitarren, ganz so, wie es in den Achtzigern manche Indie-Poprock-Bands im Vereinigten Königreich vollführten. Diese zurückgenommenen Gitarren behält Lanvin vorerst bei, „Falling Down“ ist Psychedelic-Pop mit Streichern, dafür bratzt „The Trip“ plötzlich speedy auf der Eins.

„All About The Money“ erschafft mit dem Bo-Diddley-Rhythmus und dem psychedelischen Gesang etwas Hymnisches, „Runaway“ greift dies als großgestiger Radiopop auf, indes beinahe als Kontrast dazu eher zurückhaltend instrumentiert. Im Offbeat beginnt „The Narcissist“, dazu mit einer Flanger-Wave-Gitarre, wie sie U2 auf „The Unforgettable Fire“ einsetzten, und im Refrain dann mit Indierock-Bratz wie bei den Cranberries. Das Album endet mit „Prophetic Head“, einem Bratz-Punk.

Viele Songs auf „Symbolic“ klingen vertraut, obwohl sie einem beim ersten Hören natürlich noch fremd sind, aber vertraut werden sie einem aus dem Stand. Man fühlt sich nostalgisch wie in der eigenen Plattensammlung, die man Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger zusammentrug und seit Jahren nicht mehr anrührte, weil so viel Neues dazukam.

Und dann sind diese Songs auch noch von lediglich einer Person erdacht und eingespielt. Jener Hugo Lanvin, der ansonsten nicht weiter in Erscheinung tritt, rief das Projekt bereits 2017 ins Leben, veröffentlichte zwei Jahre später „The 0,00 $ EP“ und 2022 das Album „Strangekind“. Damit lebte er seine Grunge- und Alternative-Rock-Affinität so hinreichend aus, dass er das Projekt Superchained eigentlich für beendet hielt. Bis er neue Ideen anhäufte und den alten Weg in andere Richtungen lenkte. Und da sind wir jetzt: zwar immer noch im Gestern, aber in einer Kombination, die es gestern noch nicht gab.