Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Der gesunde Erwachsene mordet achtsam

Von Onkel Rosebud

Sie blenden jetzt mal alles aus, was mit dem hier und jetzt zu tun hat, halten kurz inne und konzentrieren sich ganz auf diese Kolumne: Wenn es nach meiner Freundin geht, dann geht Tom Schilling immer. Der Schauspieler ist ein Garant, dass die Filme/Serien gut sind. Gern erinnern wir uns an Sternstunden in der Sitzschnecke zu Filmen wie „Oh Boy“ oder „Who Am I – Kein System ist sicher“. Seine neue Serie heißt „Achtsam morden“ und ist eine heitere Thriller-Groteske im Stile kriminalistischer Kettenreaktionen von „Hindafing“ bis „Kleo“, als hätte Guy Ritchie „Breaking Bad“ eingedeutscht. Ein grundsätzlich friedfertiger Mann schlittert auf der Blutspur unvorhergesehener Kapitalverbrechen tief und tiefer ins Verderben – und das mit einer ganz großen Portion Süffisanz.

Die Vorlage zur Serie beruht auf den gleichnamigen Büchern des Mietrechtsanwaltes Karsten Dusse. Das Konzept ist, Morden und Achtsamkeit zu einem schwarzhumorigen Krimi zu verbinden. Das innere Kind und Heilfasten werden mit Gewaltverbrechen kombiniert.

Björn (Tom Schilling) ist erfolgreicher Anwalt und lebt mit Frau Katharina (Emily Cox) und Tochter Emily im glanzvollen Eigenheim ohne viel Zeit für Privatleben. „Auch wenn unsere Liebe noch nicht ganz erloschen war, hatten wir diese zarte Pflanze beim Umtopfen in den großen Familientopf zu wenig gepflegt. Es ging uns so wie vielen erfolgreichen Jungfamilien: Scheiße.“ So stellt Björn zu Beginn der Serie schon mal die Grundsituation dar. Katharina sieht nur eine Chance auf Rettung: Björn muss achtsam werden.

Sein Coach (Peter Jordan) führt Björn also in einem lichtdurchfluteten Raum bei grünem Tee in die Geheimnisse der Lehre ein, praktiziert Gehmeditation mit ihm und entlässt einen im Hier und Jetzt lebenden Björn – der dann doch irgendwie zum Mörder wird, um seinen Familienfrieden zu bewahren. Bei einem Mord bleibt es nicht und Björn wird schneller zum Serienmörder, als er „Mindfulness Based Stress Reduction“ sagen kann.

Von Achtsamkeit ist Björn zu diesem Zeitpunkt schon so überzeugt, dass die Philosophie auch sein Vorgehen als Mörder bestimmt. „Bist du erkältet? Du atmest so komisch“, wird er gefragt. „Ich atme bewusst“, erwidert Björn und mordet weiter. Denn der Atem ist das zentrale Werkzeug der Achtsamkeit.

Der Serie gelingt immer wieder eine gleichermaßen scharfzüngige wie lustige Gegenwartsdiagnose, etwa dann, wenn die Sorgen und Nöte moderner Eltern parodiert werden: Ein Kita-Platz wird zur wirkungsvollsten Bestechung der alleinerziehenden Kommissarin. Absolut toll ist die vierte Wand. Björn durchbricht immer wieder als personale Erzählstimme seine innere Entwicklung und kommentiert seine äußeren Verirrungen.

Die Freude wird nur manchmal getrübt, wenn teils äußerst platter Humor politische Korrektheit verarschen will und die Mafia-Gang stereotyp dargestellt wird, wie Marc Hosemann als Drogenhändler Toni.

Meine Freundin habe ich neulich dabei erwischt, wie sie an der roten Ampel nicht aufs Handy geschaut hat, sondern tief einatmete – und damit hatte die Serie schon gewonnen.

Auf der Meditationsmatte saß

Onkel Rosebud.