La Nouvelle Musique – La Nouvelle Musique – Fruits de Mer Records 2025

Von Matthias Bosenick (03.07.2025)

Von wegen „La Nouvelle Musique“, was das gleichnamige Londoner Duo auf seinem Debütalbum präsentiert, ist schon sehr retro, und außerdem wirkt es wie eine Compilation, weil Joanna Beck und Ian de Silva eine überraschend weite Palette an Genres auf ihre elf Songs verteilen. Kammerpop, Akustik-Folk, Bond-Song, Wave, Soul – was diese Stücke eint, ist eine unterschwellige Melancholie, die selbst bei den fröhlicher arrangierten Songs noch mitschwingt. Gerade das ist ein weiteres Qualitätsmerkmal dieser vermeintlich neuen Musik.

Man sollte nicht beim Intro aufhören, das Album zu hören, denn es führt in die Irre: „The Mirror“ klingt barock, nach Kammer-Pop, dargeboten mit Heavenly Voices, mehrstimmig zumal, wie Beck auf diesem Album häufiger verfährt. Sehr fragil, entrückt, weich, und dabei einnehmend. Stellt man sich nun aber darauf ein, eine versunkene Chillout-Neoklassik-Platte zu hören, liegt man direkt ab „New Blood“ komplett falsch: Hier bekommt man voll instrumentierten Sixties-Pop, kurz vor Northern Soul, mit einer tiefergelegten Stimme, die an Nico erinnert. Auch wenn sich die Stimmung hier komplett umkrempelt, ist auch dieser Song noch lange nicht vordergründig fröhlich – eine melancholische Grundierung haben alle Stücke hier.

Vollmundig instrumentiert setzt das Duo den Weg fort, Becks Stimmlage wandelt sich Mal um Mal, von höheren Lagen wie in den Akustikgitarren-Folksongs „Crazy Lady Blues“ und „Time Ticks Slowly“ zurück zu Nancy Sinatra à la „Summer Wine“ wie in „Ballad Of A Broken Wing“, gar zu Siouxsie Sioux wie im entrückten „Polestar“ oder zu Jane Birkin wie in „Je t’aime … moi non plus“ im orgelunterstützten Rauswerfer „Epitaph“. Als wären dies nicht bereits haufenweise differente Genres, hat das Duo noch mehr im Köcher. Denn zwei Songs singt auch de Silva: „Spirit Level“ hat, anders als die eher britisch konnotierten Akustikfolksongs, etwas Amerikanisches, wahlweise etwas vom US-Country oder mit der Trompete etwas Mexikanisches. Dieser Song ist vielschichtig, die Ebenen wechseln, von reduziert bis hin zu einer kurzen Indierock-Sequenz. Sein zweiter Song ist das nicht bei Lloyd Cole geklaute „Forest Fire“, das stattdessen im Verlauf nach Simon & Garfunkel klingt; das Stück beginnt als Ballade mit Akustikgitarre und schwenkt mit Piano und Gitarrensolo in die Gewässer des genannten Duos aus New York.

Zwei weitere Ausreißer gibt es zu benennen: „Still Life“ ist in den Strophen Folk und mausert sich im Refrain zu übermannshohem Pop mit Streichern, voll und üppig instrumentiert, mit einem melodischen Griff zu den Sternen. Und selbst das können Beck und de Silva noch toppen: „Catalonia“ empfiehlt sich als Bond-Song, mit der reduziert shakernden Strophe und dem monumental bombastischen Refrain, der einen sofort mitreißt und den man nie wieder aus dem Ohr bekommt.

La Nouvelle Musique, das sind Joanna Beck – nicht zu verwechseln mit der Sängerin von The Beck Family – an Bass und Piano sowie Ian de Silva an der Gitarre; wer das Schlagzeug und die anderen Instrumente spielt, verraten die beiden nicht. Über Joanna Beck ist nicht viel herauszufinden, was bedauerlicherweise auch an ihrem etwas häufiger vergebenen Namen liegt; sie sei Komponistin von elektroakustischer Musik und Klangkunst und habe bereits für Theater und Film gearbeitet, sagt die Info. Selbst Ian de Silva ist häufiger vergeben; seine Info bemerkt, er habe bereits mit mehreren Bands auf renommierten Labels Musik veröffentlicht, ohne jedoch weitere Details zu verraten.

Die erste gemeinsame Single brachten La Nouvelle Musique 2022 heraus, „Casanova“ bereitete auf die erst 2024 nachgereichte „Na Nouvelle Musique EP“ vor. Auf der auch die zweite Single „New Gold Dream“ enthalten ist, tatsächlich eine Coverversion des Hits der Simple Minds, nur ohne den Zusatz „81*82*83*84“ im Titel. Dem vorliegenden Debüt-Album nun ging die 7“ „Time Ticks Slowly“ voraus, deren B-Seite „Water To Wine“ auf dem Album fehlt.