Von OnkelRosebud
„Ich und mein Staubsauger“, was für ein genialer Name, war eine unabhängige Zeitschrift in Westberlin, erschien erstmals im September 1986 als billig fotokopiertes „Fanzine“ und hielt 25 Ausgaben durch. Bemerkenswert daran war, dass es die ersten literarischen Schritte von Max Goldt (*1958) dokumentiert, der sich damit für die Satirezeitschrift „Titanic“ empfahl. Zwischen 1989 und 1998 veröffentlichte er dort Kolumnen unter anderem unter dem Titel „Aus Onkel Max’ Kulturtagebuch“ und „Informationen für Erwachsene“. Dabei spielte es kaum eine Rolle, worüber Herr Goldt jeweils schrieb, das „Wie“ war entscheidend und zu jener Zeit einzigartig in Sachen Wortwitz und Sprachstil. Wenn irgendwas das Etikett „Kult“ verdient, dann diese 108 Texte.
Da meine Freundin mich schon länger kennt, stört sie offensichtlich nicht, dass ich für jede Lebenssituation ein Zitat von ihm oder eine Zeile aus den Songs seiner Band Foyer des Arts auf Lager habe. Max Goldt, der eigentlich Matthias Ernst heißt, ist auch dafür verantwortlich, dass ich zum Beispiel immer als erstes bei Fremden im Bad unter die Klofußumpuschelung schaue oder die „Kunst des Seitlich-Daran-Vorbeigehens“ perfektioniert habe. Den Bogen, den ich dabei um unliebsame Sachen mache, ist so groß, wie? Na klar, der Pariser Triumphbogen. Ich habe ein Mardergerippe zu Hause, verpacktes Vinyl bezeichne ich als Hartkäse und Rohlingsspindeln kann ich nicht wegschmeißen. Meine Freundin muss leider auch akzeptieren, dass ich von ihm die Rolle eines skeptisch-amüsierten Beobachters gelernt habe.
Um es auf den Punkt zu bringen: Max Goldt ist mein großes Vorbild. Ich himmelte ihn an, den Mann. Das „Onkel“ in meinem Synonym spielt darauf an. Ich kann ihm natürlich nicht annähernd das Wasser reichen. Als simpler Lokalreporter für krautnick traue ich mich gar nicht, mich mit ihm zu vergleichen oder ein „Pasticcio“ zu sein, also einer, der ein breites Spektrum zwischen liebevoller Nachahmung und schlechter Kopie abbildet. Dafür bin ich aber auch nicht hauptberuflich humoristischer Sprachkritiker. Das, was ich an Onkel Max am meisten bewundere, ist die Kunst, nicht auf Pointen zuzusteuern und komisch auf eine Weise zu sein, die kein prustendes Gelächter hervorruft. Hinzu kommt, dass Max Goldt ein Paganini der Abschweifung ist. Also, einer, wie Harry Rowohlt einer war, der sich herrlich in einem Thema verzetteln kann und vom Hundertsten zum Tausendsten kommt. Ich verehrte ihn dermaßen, dass ich mich einst auch nicht traute, mir nach einer Lesung von ihm ein Autogramm geben zu lassen, und schickte meine Freundin mit dem Argument vor, seit wann kommt der Prophet zum Berg.
Seit seiner selbst diagnostizierten Schreibblockade in den 2010er Jahren wurde Max Goldt immer etwas schrulliger und feister anzusehen, um nicht das Wort „aufgedunsen“ zu strapazieren. Ich sah ihn auf einem Konzert in der Volksbühne Berlin von Anohni, als sich die transgeschlechtliche Sängerin noch „Anthony And The Johnsons“ nannte. Das Konzert war extrem mitreißend, aber er saß die ganze Zeit an der Bar und ließ später öffentlich verlauten, dass das Gendern für ihn eine Zumutung sei. Er veröffentlicht keine Bücher mehr, aber Comics und Tonträger. Auf den letzten mäandern seine Sätze scheinbar zufällig einem ungewissen Ziel entgegen. Manchmal kann das sehr komisch sein, manchmal allerdings auch ganz schlicht langweilig. Für mich hinterlässt er den Eindruck, mit Starrsinn gegen den Zeitgeist anzukämpfen. Steven Patrick Morrissey aus Manchester, wohnhaft in Rom, lässt grüßen. Und „aufgedunsen“ nehme ich zurück.
Onkel Max for Bundespräsident fordert
Onkel Rosebud