(0) – Knæk.Mørke.Mod.Lys – Audible Records 2024

Von Matthias Bosenick (17.01.2025)

Das stellt die Black-Metal-Gemeinde vor Herausforderungen: Auf ihrem erst zweiten Album mit dem in Großbuchstaben gehaltenen Titel „KN​Æ​K​.​M​Ø​RKE​.​MOD​.​LYS“ (ungefähr „Brich die Dunkelheit gegen das Licht“) machen die unaussprechbaren Dänen (0) – offiziell „parentes0parentes“ – nach eigener Auskunft Progressive Black Metal, was bedeutet, dass sie die Oldschool-Fans mit einem typischen Blastbeat-Geschrei-Brett anteasen und ihnen dann die gesegnete Vielfalt der Experimentierfreude unterjubeln, die weit über den mittlerweile auch schon oldschooligen und ebenfalls hier vertretenen Post Black Metal mit seinen atmosphärischen Flächen hinausgeht. Damit stellt Dänemark in doppelter Hinsicht eine Qualitäts-Klammer um das Black-Metal-Jahr 2024: Im Januar Solbrud mit „IIII“, im Dezember (0) mit „Knæk.Mørke.Mod.Lys“.

Ja, „Det sortner“ brettert los wie Black Metal, schnell, schreiend, energetisch. Bereits in dieses sechseinhalbminütige Stück bauen (0) eine atmosphärische Passage ins letzte Drittel ein, damit sind Fans des alten und des jüngeren Black Metal schon mal abgeholt. Okay, für richtig alten Black Metal ist die Produktion viel zu hervorragend, aber das ist ja für heutiges Gehör ja ohnehin eher ein Pluspunkt. Auch das folgende zehnminütige Titellied pendelt zwischen den zwei Aggregatzuständen Brett und Watte, letztere womöglich ausgeborgt im Siebziger-Prog, mit wunderschönem elegischem Gniedeln: Nicht nur, dass die Gitarre wohlig klar dudelt, auch hieven der tiefe Bass und das satte Schlagzeug den Sound dann doch in die Gegenwart.

Und dann kommt Jazz. Das Zwischenspiel „Dråbe“ könnte es sich auf dem Soundtrack von „Twin Peaks“ gemütlich machen – möge die Seele von David Lynch Frieden haben –, mit Besenschlagzeug und hingetupften Saiteninstrumenten. „Trukket tid“ danach hat etwas vom Doom, mit schwerem, langsamem Riff auf tiefsten Saiten – bis auf im Refrain, da wird die Stimmung beinahe positiv, konterkariert vom Grunzen des Sängers. Zuletzt schmeißen (0) noch die Groovemaschine an und gehen dann über in „Skyldnersol“, das das Schleppende des Doom übernimmt und in eine Art Gothic Metal transferiert. Bald drehen (0) die Verzerrer heraus und kehren die Idee von Gothic noch deutlicher hervor, mit klaren, extrem verlangsamten Akkorden und tief-rauhem Gemurmel. Aber keine Angst, die Effektgeräte funktionieren noch, und die Band schaltet sie zugunsten einer warmen, dichten Strecke wieder ein.

Das nächste Zwischenspiel „Vedhold“ entführt nach Lateinamerika, komplett unverzerrt klimpern die Musiker ein wenig herum. Wer jetzt seine Systeme heruntergefahren hat, wird mit „Vrede“ wieder wach: Dieses Stück tendiert mehr zum Thrash oder Death als zum Black Metal, groovt und fordert zum Headbangen auf, abermals mit Breaks und unvorhersehbaren Wendungen. Für den Nachklapp „Post Vrede“ fahren (0) so richtig alle Geräte herunter und lassen die Stille atmen: Dark Ambient mit Gruselflüstern, dreieinhalb Minuten lang, man wähnt sich bereits in der Auslaufrille, doch dann kippen (0) noch „Hvad den sorte muld er for lyset“ nach, den kaum dreiminütigen Doom-Rauswerfer.

Heißt: Mehr als die Hälfte von „Knæk.Mørke.Mod.Lys“ ist gar kein Black Metal. Ups, sorryyyyy! Vor allem dafür, dass das, was die Band aus anderen Teichen herausfischt, trotzdem schmackhaft ist – man bekommt ein richtig gutes Album vorgesetzt und den Horizont erweitert. Um andere dunkle Farbtöne zumeist, aber erweitert. Damit ist „Knæk.Mørke.Mod.Lys“ für (0) eine Wegmarke auf einer Reifestrecke, ausgehend von der selbstbetitelten EP aus dem Jahr 2017, auf der die vier Tracktitel einfach aus den Längenangaben bestanden, über das Debütalbum „SkamHam“ aus dem Jahr 2020, auf dem sich die Band noch vergleichsweise einen Spaß aus der Szenerie zu machen schien, die sie mit Qualitätsmusik und Pseudo-Anonymität bediente. Das Zweitalbum nun strahlt eine größere Ernsthaftigkeit aus und verlegt das Ironische in die Vielfalt der untergebrachten Stile, mit der es den Black Metal sehr weit über die Ufer treten lässt.

Tja, das mit der Anonymität, mit der (0) noch vor einigen Jahren außerhalb Dänemarks kokettierten, festgemacht an dem kryptischen Bandnamen und der Info, man verschweige die Identitäten der Musiker, belächelten bereits die anderen Metal-Musiker aus Kopenhagen, die die Jungs selbstredend von Bühnen und Theken kannten. Über den Umweg mit Initialen als Musikernamen sind (0) heute offenherzig: Jesper Ulrich und Martin Aakjær (auch bei About.June) spielen die Gitarren, Frederik Bjørn Jensen brüllt, Magnus Oulund Ipsen (auch bei BAB O.D – Battery Acid Bong Of Doom) übernimmt den Bass und Neuzugang Mads Mortensen (auch bei Ethereal Kingdoms, Gespenst und Nebulas) das Schlagzeug.

Mit der Bezeichnung (0) wollten die Dänen seinerzeit von der allgegenwärtigen Wichtigkeit einer Namensgebung ablenken und die Musik für sich sprechen lassen, weckten damit aber eigentlich erst das Interesse, irgendwas von ihnen neben die Sammlung von !!! einzusortieren. Die Musik nun bestätigt, dass korrekt war, sich davon verleiten zu lassen und der Band treu zu bleiben. Wer Glück hat, bekommt „Knæk.Mørke.Mod.Lys“ überdies in Grün-Schwarz marmoriertem Vinyl, nach einiger Verspätung erst, aber überhaupt, und es ist optisch wie akustisch jedes Warten wert.