Sibylle Schreiber & Jürgen Jastrzembski – Ich komm’ als Sternschnuppe wieder – Ehrlich Verlag 2024

Von Matthias Bosenick (24.11.2024)

Mit „Vom Lachen über den Tod“ war der erste Band der Geschichten aus dem Hospiz betitelt, der jetzt in „Ich komm’ als Sternschnuppe wieder“ seine Fortsetzung findet. Mag der erste Titel noch fälschlicherweise despektierlich wirken, geht es der Autorin Sibylle Schreiber ebenso wie – ab der Fortsetzung – ihrem Partner Jürgen Jastrzembski mitnichten um eine schwarzhumorige Näherung an das Ableben. Vielmehr finden und teilen sie Trost im Unausweichlichen und mit dem Blick auf das alle treffende Vergehen einen alternativen Zugang zum Leben davor. Es ist eine herzerwärmende Ermunterung, das Leben mit Freude zu begehen, bis zum letzten Augenblick. Die Geschichten für diesen zweiten Band notierten die Autoren bei Gesprächen im Hospiz in Luckau, Brandenburg.

Der schier undenkbare Spagat fiel der Autorin bereits bei den Recherchen zum in Wolfsburg protokollierten ersten Buch überraschend auf: Ins Hospiz kommen Menschen bekanntlich zum Sterben, und doch ist die Stimmung dort positiv. Möglichen Ursachen und Auswirkungen dieses Umstands gehen die Autoren nun abermals auf den Grund. So leicht dies erscheint, so schwer zu ertragen sind manche Geschichten – der Tod ist hier, anders als üblich in unserer Gesellschaft, allgegenwärtig, eine schwere, drückende Bürde, eine gefälligst zu akzeptierende Schlussnote in jedem Leben, für die Sterbenden wie für die Bleibenden. Dieses Bewusstsein ersparen einem die Schreibenden nicht. Es ist an jedem selbst, die Zeit davor zu füllen, und sei es, bis kurz vor der letzten Sekunde einen neuen Weg einzuschlagen; man muss dafür natürlich auch das Glück haben – das ist ebenfalls eine Conclusio dieser Geschichten –, dafür die richtigen Anstöße zu finden, und das Hospiz in Luckau ist mehr als in der Lage, diese zu liefern.

So vielfältig wie das Dasein fallen die gesammelten Geschichten aus, manche ein ganzes Leben inklusive Schlussakkord, manche kurze Schlaglichter aus dem Hospizalltag, wieder andere nicht die Schicksale der Gäste, sondern der Mitarbeitenden abdeckend. Man ertappt sich selbst dabei, wie man hier im Angesicht des Todes lauthals loslachen muss und sich verschüchtert umsieht, ob das wohl vertretbar ist. Gleich mit der ersten Anekdote: Ein Mann darf an seinem 100. Geburtstag nach einem freigewordenen Platz endlich darauf hoffen, an der ersehnten „Mensch ärgere dich nicht“-Runde teilzunehmen, und wird doch abermals abgewiesen, schließlich stehe auf der Packung ja „6 bis 99“. Schon ist man drin im Sound des Autorenpaares: Herzenswarm dokumentieren die beiden Schreibenden die Geschichten, formulieren nahbar und empathisch, obschon schonungslos, schließlich bietet das Leben nun mal Untiefen und Abgründe, und derer kommen hier einige zutage. Dennoch verlieren die Autoren ihre mitfühlende Wärme nie, egal, worum es geht.

So zeigen sie Verständnis für die Frau, die im Hospiz eine jahrzehntealte Last abwirft, indem sie bekennt, als Jugendliche einmal ihren Mann betrogen zu haben. Wie auch andere Gäste davon berichten, wie unstet, wahllos oder unglücklich sie in Liebesangelegenheiten waren – und wie als Kontrast dazu stehen all jene Biografien, in denen Menschen als altgewordenes Paar die letzten Schritte gemeinsam bewältigen. Es fällt auf, wie viele Personen sich exklusiv und bis zur Selbstaufgabe an einen Partner gebunden hatten, bis der starb und sie selbst in Depressionen verfielen, die, Gott sei’s gepriesen, die Mitarbeitenden im Hospiz bewältigen zu helfen wussten. Erschütternd, und erkenntnisreich: Ein reales soziales Netzwerk schützt also vor Seelenpein im Alter.

Häufig ist es das wohl letzte Glück im Leben, das Schreiber und Jastrzembski in den tränenrührenden Berichten finden. Der finale Wunsch, den die Mitarbeitenden im Hospiz oder des ehrenamtlichen Wünschewagens ermöglichen und der Licht ins ermattende Leben bringt, vom Fußballspiel bis zum Orgelkonzert. Manches Glück ermöglichen sich die Gäste selbst, etwa eine neu bepflanzte Terrasse. Und tatsächlich finden einige Gäste im Hospiz sogar so viel Kraft, dass sie es aufrecht gehend und genesen verlassen.

So energiespendend, wie der Aufenthalt für selbst verknöcherte Menschen im Hosipz sein kann, ist er es auch für diejenigen, die dort die Arbeit verrichten. Dafür finden Jastrzembski und Schreiber einige Beispiele, die kaum weniger anrühren als die der Gäste, schließlich ist ein erfülltes Berufsleben ja etwas, das man sich nur wünschen kann. Man beginnt zu überlegen, ob man diesem Job selbst gewachsen wäre, und zollt denjenigen, die ihn ausüben, großen Respekt.

Man darf dem Tod lachend begegnen, man begegnet ihm ohnehin permanent, dann muss man eben eine verträgliche Umgangsform dafür finden. Schreiber und Jastrzembski geben Vorschläge dafür, indem sie die Vorgehensweisen anderer nacherzählen, humorvoll, einfühlsam, schonungslos – bis hin zu Schlüpfrigkeiten – und rigoros: Der Tod geht uns alle an, auch außerhalb eines Hospizes. Ein Buch wie dieses gaukelt keine Illusionen vom ewigen Leben vor, aber es gibt Ratschläge dafür, das Sterben leichter zu erdulden.