Von Matthias Bosenick (30.10.2024)
Drama umgibt dieses Debüt, musikalisch wie die Umstände betreffend: Während der PR-Kampagne zum zweiten Album des Horrorfilm-Black-Metal-Projektes Vinterdracul – bereits besprochen auf dieser Plattform – aus Baltimore, Maryland, verschwand Weirding Batweilder, einer der beteiligten, und als dessen Bruder Srogi Mroczek sich über ein Jahr später mit Schlagzeuger Dirt Boucher dem neuen Projekt Bleak Magician zu widmen begann, trat der Verschollene wieder auf den Plan und beteiligte sich an „How The Disappearance Appeared To Us“. Heraus kommt minimalistisch-rohe Elektro-Gitarre-Dark-Wave-Rock-Musik, die das persönliche Drama künstlerisch reflektiert. Es bleiben Fragen offen – offenbar sogar für die Zurückgelassenen. Geheimnisvoll.
Die Gitarre sägt. So klingt manchmal auch früher Black Metal, schlägt mithin eine Brücke zu Vinterdracul. Sobald sie indes mal losrockt, sind die Analogien zu Bornwithhair stärker, dem anderen Projekt der Brüder Mroczek und Batweilder, mit dem sie nämlich Avant-Death-Metal machten. Dennoch trägt dieses Debüt eine komplett eigene musikalische Signatur, getragen von einem minimalistischen, eiskalten, langsamen Drumcomputer – vergleichbar mit dem in „Nightclubbing“ von Iggy Pop –, den Boucher gelegentlich mit analogem Schlagzeug verfeinert. Darüber gniedeln die Gitarren und dudeln die Synthies, alles in verlangsamtem Tempo und wechselnder Intensität.
Man fühlt sich in der Zeit zurückversetzt, auf irgendwann in den frühen Achtzigern, als sich aus dem Punk gerade Post Punk und New Wave herausschälten, als die damaligen Protagonisten noch wirklich miese Laune hatten und nicht einer verkaufsfördernden Szene zugehören wollten. Wie auch, die gab es damals ja noch gar nicht. Irgendwo zugehören wollen Bleak Magician heute sicherlich auch nicht, trotz der akustischen Ähnlichkeiten, schließlich ist der Ansatz dafür, dieses Album zu produzieren, persönlicher Art, nicht kapitalistischer.
So hört man alte Helden durchschimmern: Der dramatische Gesang, offenbar hauptsächlich von Mroczek, wie überhaupt das meiste auf diesem Album, erinnert häufig an den von Christian Death mit Valor, die Atmosphäre der Musik ebenso, dunkel, düster, nihilistisch, kalt, leer. Mit etwas mehr Gitarre lässt sich etwas Bauhaus ausmachen, mancher Bass erinnert an Joy Division, die Synthies könnten damals auch bei Alien Sex Fiend zum Einsatz gekommen sein, nur dass deren Humor hier komplett fehlt. Häufiger indes bilden die Synthies beinahe kreischige Flächen, so sie denn überhaupt ertönen und den Dark-Wave-Sound überspielen. Die allgemein eher schlechte Laune wiederum könnte man sich vergleichbar auch bei The Fall imaginieren.
Das ist alles sehr roh gehalten, der Spagat zwischen Leere und Gebratze, jeweils in erheblichen Minusgraden dargeboten. Der Bandname – Düsterer Zauberer – passt also wie die Faust aufs Butterbrot, ganz im Gegensatz zum flirrend bunten Cover. Dennoch birgt dies alles Geheimnisse: Warum verschwand Batweilder überhaupt, wohin verschwand er, warum kehrte er zurück? Die Antworten bleibt er offenbar selbst seinem Bruder schuldig, der sich nur wunderte, als der Verlorene am ersten Tag der Aufnahmen mit Bleak Magician aus unheiterem Himmel wieder zugegen war. Anstatt sich zu erklären, trieb er Mroczeks künstlerische Aktivitäten voran und betrachtet Bleak Magician daher auch vorrangig als dessen Projekt. Der indes fasst Bleak Magician im Verbund mit Drummer Boucher und seinem Bruder als Noise Rock Band auf. Ein weiteres Rätsel: Als jemand mit Noise Rock im Plattenregal würde man dieser Kategorisierung mitnichten zustimmen, auch wenn das Trio hier einigen Lärm über die schockgefrorenen Soundlandschaften legt.
Und noch etwas: Was sind das überhaupt für Namen (Srogi ist Polnisch für hart, streng, schwer) – und warum findet man abseits von Bandcamp und Spotify so gut wie nichts über deren Träger? Was hat es mit Evil Will Bless, Mephistophilizer, Towerhouser und Xoltergeist auf sich?! Schön, dass es 2024 noch Geheimnisse gibt.