Pixies – The Night The Zombies Came – BMG 2024

Von Guido Dörheide (29.10.2024)

Hihi, pünktlich zu Halloween kommen die Pixies aus Boston, MA, mit einem Album mit Zombiethematik um die Ecke. Hinter der sie hätten mal schön bleiben sollen, um das Erbe ihrer fünf (jahaa – ich zähle „Come On Pilgrim“ als vollwertiges Album) Alben zählenden Diskografie aus der Zeit ihres eigentlichen Bestehens von Mitte der Achtziger bis gerade mal knapp in die Neunziger hinein nicht zu beschmutzen.

Charles Michael Kittridge Thompson IV (jahaa, ich weiß, es ist total abgeschmackt, seinen vollen Namen immer und immer wieder auszuschreiben) a/k/a Black Francis hat nach der Pixies-Auflösung unter dem Namen „Frank Black“ gefühlt 125 Soloalben herausgebracht, die es – mit Ausnahme von „Teenager Of The Year“ aus dem Jahr 1994 – nicht gebraucht hätte – nicht, dass irgendwas von Herrn Black auch nur ansatzweise schlecht gewesen wäre, aber seine immer und immer wieder auf schwarzen Schellack gebannte Vorliebe für Americana und sonstige Erwachsenenmusik machte mich doch tatsächlich immer und immer wieder heulen, wenn ich sie mit den unwiederholbaren Großtaten der ersten fünf (Ja, es sind fünf. Denke ich.) Pixies-Alben vergleiche. When Man is five, then the Devil is six, and if the Devil is six, then God is seven, was auch immer das bedeuten mag. Rock me, Joseph Alberto Santiago. Und besagter Joey Santiago spielt auf den aktuellen Pixies-Alben immer noch die Gitarre und David Lovering die Drums, lediglich Kim Deal wurde zunächst durch Paz Lechantin und vor dem aktuellen Album dann durch Emma Richardson ersetzt, die alle beide ihren Job total klasse machen; dennoch hinterlässt es in den Herzen der Pixies-Fans von damals einen gewissen Schmerz, dass Deal nicht mehr von der Partie ist. Aber Schwamm drüber: Was kann das neue Album?

Nun – sehr viel. Meine anfängliche Skepsis (jetzt hätte ich beinahe „Sepsis“ geschrieben, ein Schwelm, der dabei denkt) anlässlich einer Pixies-Reunion (immerhin handelt es sich dabei um die Band, um derentwillen Kurt Cobain Nirvana gegründet hat, weil er so klingen wollte wie die Pixies), deren Vorstellung seinerzeit auf der nach oben offenen Johnny-Marr-Skala ähnlich hohe Werte des Abscheus produzierte wie die einer Wiedervereinigung der Smiths, legt sich von Post-Reunion-Veröffentlichung zu Post-Reunion-Veröffentlichung mehr und mehr. Hatte ich im Jahr 2022 schon das 2022er Werk „Doggerel“ recht positiv besprochen, mag ich dem heuer mit meiner Rezension zu „The Night The Zombies Came“ in Nichts nachstehen: Brutal vom Hocker wie damals hauen einen die Pixies mit dem Teil nicht, müssen sie auch nicht, aber ein beachtliches und urst hörenswertes Stück Musik hauen sie einem damit durchaus um die Ohren.

Gleich beim ersten Stück, „Primrose“, beweisen Frank Black und seine Mitstreitenden, wie schön unaufgeregt man einen beknackt-unverständlichen Text mit einer tollen Melodie und einem Gitarrenspiel, das mich sehr positiv an das 1990er Pixies-Album „Bossanova“ erinnert, hinterlegen kann. Toller Einstieg schon mal.

„You’re So Impatient“ legt dann sehr viel rockiger nach, und das nicht auf eine Frank-Black-soloalbumige Art, sondern schön Pixies-mäßig, dreckig und mit tollen Joey-Santiago-Soli angefüllt.

„Jane (The Night The Zombies Came“) kommt dann viel ruhiger, von sehr viel Black-Francis-Rhythmusgitarre und viel Stimmung getragen daher. Der Text beschreibt den Spaziergang von zwei vermutlich jungen Leuten, von denen Jane die eine war. „He was walking beside her / She was the only survivor / The night the zombies came“. Zumindest Jane scheint den Spaziergang überlebt zu haben.

„Chicken“, ein ebenfalls ruhiger Song, beschäftigt sich mit einem Protagonisten, der sich fühlt wie ein Hühnchen, das es auf einmal mit Enthauptung zu tun bekommt und anstatt auf die Knie zu fallen einfach immer rundherum rennt. Schön.

„Hypnotised“ geht irgendwie so, tut aber auch nicht weh, während mich „Johnny Good Man“ dann wieder begeistert: Eine irgendwie surf-jangle-mäßige Gitarre beginnt den Song, dann singt Francis aufgeräumt und leider einige Tonlagen tiefer, als er das in den 1980ern getan hätte, die Melodie beschwingt und begeistert, und zwischendurch immer wieder diese wunderbare quietschend-jaulend-schrammelige Gitarre. So muss Pixies.

Und irgendwie haben sie sich jetzt auch irgendwie eingegroovt: „Motoroller“ mit nur einem „r“ klingt so richtig lässig und wunderschön – gerade so, als spielten die Pixies eines der besseren Stücke von einem Frank-Black-Soloalbum, nur besser, pixiesmäßiger.

„I Hear You Mary“ beginnt ein wenig klimpernd, gibt dann Francis’ Gesang viel Raum und entwickelt sich ab der Ein-Minuten-Marke dann zu einem kraftvollen und melodiösen Midtempo-Stück, dass nicht wehtut, aber Laune macht.

„Oyster Beds“ ist ein typisch punkig-altmodisches Pixies-Stück, bei dem es sich lohnt, David Lovering beim Trommeln zuzuhören. Santiagos Gitarre ist ohnehin immer ein Hinhörer und sorgt auf diesem Album für zahlreiche unvergessliche Pixies-Momente.

Und dann kommt mein persönliches Highlight auf dem aktuellen Pixies-Album: „Mercy Me“. Klingt wie ein beknackter ruhiger Frank-Black-Song, nur mit besserer Musik. Eben von Santiago, Lovering und Richardson (die auch beim Background-Gesang auf dem ganzen Album total bezaubert). Wenn schon Americana-Anleihen, dann mit Santiago an der Gitarre, dann haut das auch hin und nervt nicht.

Auf „Ernest Evans“ wird wieder gesurft und geschrengelt, Francis murmelt sich den Gesang irgendwie aus der Hüfte und alles ist gewaltig. Die Pixies haben Spaß am Musizieren, merkt man ganz deutlich.

„Kings Of The Prairie“ ist das Zugeständnis der Pixies an ihren Bandleader, hier klingt alles nach Frank Black feat. The Pixies, aber das macht nix, denn alles zuvor Gehörte war nicht weniger als großartig und das das Album abschließende „The Vegas Suite“ ist es ebenfalls: Francis singt, spricht, röhrt und die Band spielt dazu zunächst entspannt und dann kratzig-quietschig, um gleich danach wieder in tiefe Entspannung zu verfallen. Und irgendwann im Verlaufe dieses tollen Songs macht Black Francis mir eingeschweißtem Beatles-Fan deutlich, dass es sich doch noch ein wenig lohnt, sich in seine Texte reinzuhören: „I paid a dollar three timеs for revolution number nine / And everything was fine, but, oh.“