Phillip Boa And The Voodooclub – Copperfield (Re-Edition 2024) – Vertigo/Universal 1988/2024

Von Matthias Bosenick (20.08.2024)

Es gibt fünf neue Songs von Ernst Ulrich Figgen und seinem Voodooclub. Nicht als eigenen Tonträger, sondern wie zuvor im Rahmen der wiederholten Wiederveröffentlichung eines alten Albums als Bonus. Es bleibt dabei, dass Phillip Boa die Unsitte fortsetzt, von seinen loyalen Fans mehr Kohle abzuverlangen, als diese ihm ohnehin zukommen lassen, indem er seinen Indierockpop teurer verkauft als nötig und diesen Fans auch noch Altlasten aufbürdet, die sie bereits vielfach im Regal haben. In diesem Falle wirbelt Boa die Tracklist seines dritten Albums „Copperfield“ durcheinander und packt fünf neue Songs dahinter, die er, wie bei „Boaphenia“, im Geiste der alten Songs aufgenommen haben will. Interessanter noch sind zwei, drei Songs auf der Bonus-CD, die natürlich Lücken lässt zu früheren Rerelease-Bonus-Tracks. So kennt man ihn. Kill Your Ideals!

Die fünf neuen Songs sind okay, allen voran die Vorab-Single „Rain Poets“. Netter Indie-Pop, hübsche Melodie, eingängig, ein in die Jahre gekommener, typischer Boa, die anderen vier ungefähr ebenso, nett zum Mitschunkeln. Was sie nicht mitbringen, ist ein hörbar direkter Bezug zu „Copperfield“. Diese Brücke war schon bei den neuen Songs im Stile von „Boaphenia“ vor einem Jahr kaum mehr als Koketterie. Boa komponiert heute einfach anders als damals, und praktisch fußt doch alles, was er heute komponiert, auf irgendwas, was er früher mal komponiert hat, so etwas nennt man Stil und Weiterentwicklung, normal. Heißt: Nichts von den fünf neuen Sachen klingt wirklich nach „Copperfield“, jedenfalls nicht mehr als die Songs von Boas letztem offiziellen Studioalbum „Earthly Powers“ aus dem Jahr 2018 oder eben die Songs der „Boaphenia“-Bonus-CD „The Porcelain Files“. 1988 zu „Copperfield“ und 1993 zu „Boaphenia“ war Boa eben noch vergleichsweise jugendlich, der Geist und das Feuer haben sich zwangsweise verändert, und es wäre zudem auch furchtbar, wenn nicht. Also soll er uns nicht so einen Quatsch als glaubwürdig verkaufen. Sondern neue Songs als eigene Veröffentlichung, wie 2005 die „20 Years Of Indie Cult EP“, da waren auch nur fünf Stücke drauf und das war in Ordnung so.

Zumal Boa die zehn Haupt-Songs von „Copperfield“ in der neuen Edition auch noch durcheinanderwürfelt, also die Dramaturgie komplett verändert. Statt mit „Monochrome Monday“ eröffnet er dieses Mal mit „Andy W.“, danach behält kein einziges Lied seinen originalen Platz. Immerhin sind alle drauf. Dafür auf der Bonus-CD nicht alles, was man auf der 2006er-Ausgabe als Bonus erhielt, sondern nur drei Songs. „Fire“ fehlt sowie diverse Remixe, dafür gibt es hier eben einige andere alternative Versionen, einen Eroc-Mix von „Kill Your Ideals“ etwa, mit „All I Hate Is You“ den Eroc-Boa-Mix eines Songs, der zwar 1987 bereits auf einer 12“ zu finden war, aber erst 1989 auf „Hair“ gelangte, sowie Studio-Versionen und neun Live-Tracks aus der Zeit, darunter auch „Diana“, das der Erst-Ausgabe der LP 1988 in der „Original Version Of 1984“ als Bonus-12“ beilag, als B-Seite von „Revolution Of The Moon“, das hier immerhin zu den drei berücksichtigten Bonus-Stücken der 2006er-Version zählt. Je nun.

Was den neuen Songs fehlt, ist – Pia, natürlich. Und das durchgeknallte Percussionspiel, das dem Indie-Pop des Jahres 1988 noch so viel Nervosität verlieh. „Copperfield“ war noch bestimmt von einer Spannung, die sich aus der Mischung aus Naivität und Nachdruck ergab, und dafür ist der Boa von 2024 viel zu abgeklärt. Soll er ja sein, aber siehe oben. Mehr noch als das Haupt-Album belegen dies die Bonus-Tracks der zweiten CD – besonders live entfaltet der damalige Voodooclub eine rüttelnde Energie, die der heutige in der Form gar nicht reproduzieren kann. Da nun aber auch die meisten Fans wie der Meister in die Jahre gekommen sind, 61 sind es bei ihm inzwischen, ist das auch gar nicht so schlimm, aber er soll halt nicht so auf die Kacke hauen.