Von Onkel Rosebud
Meine Freundin hat die Schauspielerin Sibel Kekilli zum ersten Mal in „Game Of Thrones“ in der Rolle als Shae im Jahr 2011 wahrgenommen und war begeistert. Sie spielt da eine junge, hübsche Prostituierte, die einige Zeit die Geliebte von einem der wenigen sympathischen Hauptprotagonisten der Serie sein darf. Aber eigentlich war es andersherum: Sie bestimmte, dass er sie „durfte“, und das machte den Reiz ihrer Figur aus.
Da meine Freundin und ich seit der Tatort-Folge, wo eine Mutter ihre Kinder mit Tabs einer Spülmaschine vergiftete, diese Sonntagabend-Familien-Serie nicht mehr gucken, sind sämtliche Borowski-Folgen mit Sibel Kekilli in der Rolle als Sarah Brandt in Kiel an uns vorbei gegangen. Deshalb begründet sich mein Gutfinden von ihr immer noch auf den Film „Gegen die Wand“ von anno 2004, den meine Freundin nicht gesehen hat. Natürlich ist Madame Kekilli mehr als nur die Rolle als Sibel Güner und Shae. Neulich habe ich mir die „Liebe, Tod und Teufel“-Trilogie von Fatih Akin, bei der „Mit dem Kopf gegen die Wand“ Teil 1 gewesen ist, noch mal angeguckt. Da geht es um wahnsinnige Liebe und Selbstzerstörung. Teil 2, „Auf der anderen Seite“, behandelt das Thema Tod. Mit „The Cut“ endet die Trilogie, die auch Blut, Tränen und Schweiß hätte heißen können, über das Schicksal der Armenier während des Osmanischen Reiches vor knapp 100 Jahren. Prädikat: unbedingt sehenswert auch 2023+.
Aber zurück zu Sibel Kekilli (*1980). Wenn man im Internet falsch abbiegt, findet man leicht raus, dass sie im Alter von 20 für sechs Monate unter dem Synonym „Dilara“ als Pornofilm-Darstellerin aktiv war, hauptsächlich wegen leicht verdientem Geld, soll sie damals gesagt haben. Pornofilmkönig Marc Dorcel himself gab sich die Ehre und das kann man im damaligen Kontext nur als Kompliment verstehen. Eine weiterführende, moralische Verbuchung dazu steht mir nicht zu, weil – im Prinzip – Fatih Akin damals mit Sibel Kekilli in der Hauptrolle den deutschen Film neu erfunden hat. Quasi gerettet. Auf Türkisch! Und das ist das, was zählt.
Die deutsche Übersetzung von „Sibel“ ist „Regentropfen im freien Fall“. Das ist sehr poetisch, aber das Leben war für sie nicht immer dichterisch. Vor der internationalen Schauspielkarriere arbeitete sie als Kellnerin, Türsteherin, Geschäftsführerin eines Nachtclubs und Dessous-Model. Nach dem Erfolg in „Gegen die Wand“ wurde sie von der Skandalpresse in den Schmutz zogen, was erst durch das Kammergericht Berlin beendet wurde. Ihre Familie brach jeden Kontakt zu ihr ab. Dann arbeitete sie gegen die Wand an, nicht die „Türkin vom Dienst“ im deutschen Film sein zu müssen. Ist ihr gelungen: Nach ihrer Gastrolle als Italienerin in „Kebab Connection“ kämpft Kekilli in „Der letzte Zug“ als nach Auschwitz verschleppte Jüdin um ihr Leben. Danach tritt sie zur „Winterreise“ nach Kenia an, als Dolmetscherin eines abgezockten Unternehmers. Allesamt Schau-Empfehlungen sowohl für trübe November- als auch sprießende Maitage. Ihr erster türkischer Film „Eve dönüs“ brachte Sibel Kekilli eine Auszeichnung ein. Im dritten Film der „Cities Of Love“-Reihe, „Berlin, I Love You”, spielte sie an der Seite von u.a. Helen Mirren, Kira Knightley und Mickey Rourke.
Sibel Kekilli engagiert sich für Frauenrechte und wurde dafür 2017 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Sie ist ein Weltstar und ein Grund für uns, Stolz zu sein.
Onkel Rosebud