Von Onkel Rosebud
Hin und wieder fragt mich meine Freundin, ob ich ihr nicht mal was vorspielen kann, das bei der Generation Z angesagt ist. Meine Reaktion ist dann meistens Augenrollen. Wäre das eine olympische Disziplin, ich wäre im Kader, aber neulich konnte ich bei ihr mit einem Tipp aus dem Musikfeuilleton von Deutschlandfunk Kultur punkten: Brutalismus 3000. Das ist ein Ballerbeat-Duo aus Berlin, das man irgendwo zwischen Hardcore-Techno, Gabber und Elektropunk einordnen kann. Also übersetzt für uns GenXler: D.A.F. trifft Atari Teenage Riot, nur in jung, weiblich und hip, dazu bissig, respektlos und schnell. Ihr 2023er Debüt-Longplayer „Ultrakunst“ (Live From Earth) ist ein wildes und selbstbewusstes Album, ein abwechselnd beängstigendes und rotziges Feuerwerk aus Wut und Humor, das wie eine richtig gute Party klingt, die aus den Fugen geraten ist. Und bei dem Thema kenne ich mich aus, auch wenn ich noch nie im Berghain war (und auch nicht da rein will). Vor dem Album hatten Dingsbums 3000 in den Corona-Years drei EPs rausgebracht: „Amore Hardcore“, „Liebe in Zeiten der Kola“ sowie „Eros Massacre“. Allesamt Perlen der guten Laune.
Meiner Freundin habe ich „3isbär“ vorgespielt, eine inverse Version des Liedes „Eisbär“ der Schweizer Band Grauzone (1981), dem ich allzeit verfallen bin (außer dem Saxophonsolo am Ende). Warum invers? Weil der Text bei Botulismus 3000 als Update so geht: „Ich möchte kein Eisbär sein im warmen Polar, dann müsste ich nur noch schrei‘n, das Eis ist nicht mehr da… Eisbär‘n müssen weinen“. Das ist genial und kennzeichnet den Stil der Band. Eine Kombination harter Techno-Beats und provokanter Texte, die politisch brisant und manchmal sexuell aufgeladen sind mit dem Erkennungsmerkmal der verzerrten Stimme der Gesangsprotagonistin.
Leider ist das weder revolutionär noch besonders originell und ist als Konzept, in Sekundenschnelle von albern zu prägnant zu wechseln, von der aus dem US-Bundesstaat Missouri stammenden Band 100 Gecs gestohlen. Aber egal. Hauptsache, mit eigenen Ideen aufgefrischt. Manchmal klingen Scheitern 3000 ein bisschen gefährlich, wie in der Zeile „Oh boy, ich zerfick dir dein Gesicht“. Da kommt zum Augenrollen noch das Runzeln der Stirn dazu. Quasi B-Note bei der Vielseitigkeitsdisziplin. Unterm Strich ist das alles postironikischer Spaß oder geistlose Selbstzerstörung. Aber macht bitte weiter, Borealismus 3000. Ich folge Euch.
Tzz,Tzzz, Tzzzz, Onkel Rosebud
Redaktioneller Hinweis
Von dieser Ausgabe an tritt Onkel Rosebud etwas kürzer: Seine Kolumne erscheint fortan im Zwei-Wochen-Rhythmus. Mitte Februar, direkt am Valentinstag, gibt’s nun die nächste Ausgabe, und für die wechselt er wieder von dem, was seine Freundin gerne hört, zu dem, was sie gerne sieht.