Von Matthias Bosenick (22.01.2024)
Yeah! Yeah!!! Mies gelaunt und angepisst huldigen die beiden Polit-Rüpel von den Sleaford Mods ihren ebenfalls nicht unpolitischen Synthiepophelden Pet Shop Boys: Aus Charity-Gründen covern sie deren fast 40 Jahre alte Debütsingle „West End Girls“. Die Musik belassen sie weitgehend bei, damit auch Tempo und Melancholie, und da das Original bereits mehr oder weniger ein Rap war, liegt diese Adaption hier gar nicht so fern, nur dass die Sleaford Mods räudiger rappen. Und auf der 12“-Version auch dirty. Größter Schulterschlag ist, dass die Pet Shop Boys dieser Version nicht nur zustimmten, sondern sie auch gleich remixten.
Jede noch so aufkeimende Melodie aus dem originalen Vortrag von Neil Tennant rotzt Jason Williamson beiseite. Andrew Fern, für die Musik der Mods zuständig, übernimmt die Basistracks von Chris Lowe so ziemlich unangetastet. Ein Überhit sowieso, in allen Versionen, die es zwischen 1984 und 1986 von dem Song gab, von Bobby „O“ wie von Stephen Hague produziert, dessen Version der Mods-Ausgabe zugrundeliegt. Leicht verschlepptes Tempo, relativ dunkle Synthies, eine Atmosphäre zwischen Hoffnungslosigkeit und Aufbruch, der die Mods mit ihrer Stimme zusätzlich ein Aufbegehren verleihen. Und Dreck, der nur auf der 12“ (und separiert auf diversen Streaming-Plattformen) erhältliche „Dirty Mix“ ist im Grunde kein Mix, sondern textlich angepisst angepasst, also mal mit einem eingestreuten „fuckin‘“ drin. Was lustiger und überzeugender ist als die reguläre Variante.
Wie muss es für die Pet Shop Boys sein, eine Coverversion ihres eigenen Songs zu remixen? Remixen sie sich nicht eigentlich selbst, erstellen sie nicht vielmehr einen neuen Backingtrack für die Stimme von Williamson, angereichert mit eigenen Backing-Vocals? Diese neue Version orientiert sich stark an den Pet Shop Boys der Gegenwart, was auch bedeutet, dass da leicht cheesige Synthiesounds drin sind zum flotten Upbeat. Ihr alter Hit ist nun beschleunigt und kompakt, geht gut ins Bein, bekommt Opulenz, verliert zwar etwas von seiner Seele, macht aber Laune. Erfreulich ist, dass die Londoner der Bearbeitung durch die Nottinghamer überhaupt zustimmten – nur wenige Wochen zuvor beklagten sie sich noch über den Meme-Rapper Drake, der für seinen – ziemlich miesen – Track „All The Parties“ ungefragt Auszüge aus „West End Girls“ verwurstete, die das Stück leider nicht mal besser machten. Freundlich geklopft, nicken die Boys den Mods hingegen wohlwollend zu, so einfach kann das sein. Und die freuen sich wie Schneekönige, wer würde das nicht.
Ebenso beschleunigt wie der Remix der Pet Shop Boys ist die Acid-House-Version von Hifi Sean Dickinson, der damit eine Electro-Spielart der Achtziger ins Spiel führt, die es zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung von „West End Girls“ noch gar nicht gab, an der sich die Pet Shop Boys dann aber sehr wohl austobten. Der hier verwendete Basslauf ist zudem mehr Achtziger, als der Song selbst es seinerzeit war. Im Sound näher an der Variante von Bobby „O“ ist die Bearbeitung von Extnddntwrk aka Extendednetwork, bei dem es sich schlicht um Fearn selbst handelt, der also doch noch einen eigenen musikalischen Beitrag zu dieser EP leisten darf, obschon er sich beim Ur-Original bedient. Er jagt die Stimme seines Mitmods durch den Vocoder, dass davon nix Charakteristisches mehr übrig bleibt und das Stück kurioserweise trotzdem funktioniert.
„West End Girls“ ist nicht die erste Bearbeitung eines Achtziger-Hits durch die Mods: 2021 machten sie sich an „Don’t Go“ von Yazoo zu schaffen, da veränderten sie auch die Musik, minimalisierten sie und rotzten den Text gewohnt vor sich hin, „don’t go!!!“. Die Erlöse aus dem Verkauf der „West End Girls“-EP gehen übrigens an die Wohltätigkeitsorganisation Shelter, die sich in Großbritannien für Mieterrechte einsetzt.