Von Onkel Rosebud
Elvis Costello (*1954) ist einer der bekanntesten nichtbekannten Musiker. Er gilt als Genie und Erneuerer populärer Musik. Die Wenigsten kennen jedoch mehr als den einen oder anderen Song. Sein Oeuvre umfasst seit 1977 34 Studioalben und ist so kreativ und universell, dass es im Rahmen dieser Kolumne unmöglich erscheint, einen Überblick zu geben. Neulich fragte mich aber meine Freundin, ob ich schon mal was von Elvis Costello gehört hätte. Dabei drückte sie auf ihr Endgerät und aus der Bluetoothbox ertönte „Radio, Radio“ (aus dem Album „This Year’s Model“ von 1978). Der Algorithmus einer grünlichen Musikplattform hätte ihr diesen Titel vorgeschlagen, meinte sie noch, das könnte mich doch auch interessieren… daraufhin hob ich an zu folgendem Kurzvortrag:
Geboren als Declan MacManus in London, nennt er sich nach Mitgliedschaften in Bands mit wunderlichen Namen wie Rusty, Mothertruckers oder Flip City erst in D.P. Costello, schließlich in Elvis Costello (nach Elvis Presley und dem Nachnamen seiner Urgroßmutter) um. 1977 erscheint mit „My Aim Is True“ sein erstes Album, das er in 24 Stunden mit der zukünftigen Band News von Huey Lewis aufnimmt, die damals noch Imposters hieß. Mit den Nachfolgern „This Year’s Model“ und „Armed Forces“ (1979) kommt ein größerer Erfolg. Es folgen ausführliche Tourneen und dazugehörige Affären in den USA. Zurück in England produziert er die 2-Tone-Records-Ska-Legende The Specials, bevor er sich der Aufnahme seines vierten Albums widmet. „Get Happy!!“ (1980) floppt, weil sein experimentierfreudiger Pop/Punkrock die gewonnene Hörerschaft verunsichert. Es ist der Anfang einer Reise durch ziemlich alle musikalischen Genres, die seine zukünftige Karriere bestimmen wird.
1981 erscheint mit „Almost Blue“ ein Album mit Country-Covern, „Imperial Bedroom“ enthält ein Jahr später orchestrale Begleitung. Als Promotion führt es Costello mit seiner Begleitband The Attractions und dem Royal Philharmonic Orchestra in London live auf. Neben regelmäßig erscheinenden Platten unter eigenem Namen schreibt Costello Songs für andere Musiker und wird 1984 Produzent der Pogues, mit denen er auch auf Konzerten auftritt. Beim Live Aid 1985 singt er solo „All You Need Is Love“ von den Beatles. Erst 1989 kann er jedoch mit „Spike“ (produziert von T Bone Burnett) wieder einen größeren kommerziellen Erfolg verbuchen. Musikalisch wilde Mischungen verschiedener Stilrichtungen werden zu seinem Markenzeichen. Die Single „Veronica“ gewinnt am Ende des Jahres einen MTV Video Music Award.
1992 beginnt eine fruchtbare Zusammenarbeit mit den Streichern des Brodsky Quartet. Neben dem gemeinsamen Album „The Juliet Letters“ spielen sie im Laufe der 90er immer wieder zusammen, sowohl im Studio als auch auf der Bühne. So entsteht mit der Sopranistin Anne Sofie von Otter 1996 das Werk „Three Distracted Women“. Obwohl sein Interesse in den 1990er Jahren verstärkt der klassischen Musik gilt, ist er weiterhin auch in der Popszene tätig. 1994 singt er mit Tony Bennett bei dessen „MTV Unplugged“ mit. 1997 arbeitet er mit den Spice Girls und den Jazzern der Mingus Big Band zusammen, komponiert mit Paul McCartney sowie Burt Bacharach und leistet Beiträge zu den Soundtracks von „The Big Lebowsky“ und „Notting Hill“. Nach Arbeiten für ein Theaterstück und einer Fernsehserie erscheint 2002 mit „When I Was Cruel“ mal wieder ein Rock-Album. Das auf Deutsche Grammophon veröffentlichte „North“ (2003) ist eine Sammlung an Liebesliedern mit Klavier- und Orchesterbegleitung. Ende des Jahrzehnts aktiviert er wieder seine fruchtbare Freundschaft zu dem „Spike“-Produzenten. Die Ergebnisse sind die countrylastige „Secret, Profane & Sugarcane“-Platte (2009) und das eher rockige „National Ransom“ (2010).
2013 sorgt Costello für eine Überraschung. Nach einem Auftritt in der Jimmy Fallon Show nimmt er mit dessen Hausband, The Roots, das Album „Wise Up Ghost“ auf und macht Hiphop. Neue Platten wolle er nicht mehr aufnehmen, schreibt er in seiner Autobiographie „Unfaithful Music – Mein Leben“ (2015), um das Versprechen 2018 zu brechen. Wieder mit den Imposters in Originalbesetzung aus 1977 und dem mittlerweile 90-jährigen Bacharach am Klavier nimmt er „Look Now“ auf. Die anschließende bösartige Krebserkrankung hört man seinem dritten Longplayer aus dem Ruhestand, „Hey Clockface“ (2020) an. 2023 erschien „The Songs Of Bacharach & Costello“ – Ein Vierfachalbum!
Elvis Costello ist der Meister des Drei-Minuten-Songs, Seine stilistische Unberechenbarkeit von Punk und New Wave, Rock und Pop über Motown-Soul, Jazz und Blues bis hin zu quasi-klassischer Stilistik hat ihm keine treu ergebene Fangemeinde eingebracht, aber den Ruf als Elder Statesman der Popgeschichte.
„I used to be disgusted; now I try to be amused.” Sang er am Anfang seiner Karriere und hielt das bis zum Ende durch.
Mein Elvis-Costello-Moment spielt in der ersten Episode der zweiten Staffel der Serie „Two And A Half Man“. Zusammen mit Sean Penn, Harry Dean Stanton und noch einem findet er sich als Mitglied einer Selbsthilfegruppe im Haus von Charlie Sheen ein, um über Probleme zu reden.
Guter Mann, findet Onkel Rosebud