Von Matthias Bosenick (08.12.2023)
Zum fünften Mal versuchen sich die Autoren der Drei Fragezeichen an einem Adventskalender-Fall, der sich also über 24 Türchen erstreckt. Im Falle von „Böser die Glocken nie klingen“ bedeutet dies: dreieinhalb Stunden auf sechs LPs, die Box ist teurer als alles, was es bisher von den drei Detektiven als Hörspiel zu kaufen gab. Den Fall erdachte André Minninger, der seit über 20 Jahren als Skriptautor die Hörspiele versaut, und genau so gestaltet sich dieser Fall auch: langatmig, labernd und konfus. Positiv ist: Die Box sieht geil aus, jede LP hat ein eigenes Sleeve, schick! Aber: Man darf sich vor der regulären Folge 225, „Der Puppenmacher“, im Januar nur fürchten: Es werden fünf LPs. Mit Minninger ist da leider einiges an Langeweile zu befürchten, denn so lang ist das Buch dazu ja gar nicht.
Zu Beginn von „Böser die Glocken nie klingen“ entdecken Justus, Peter und Bob beim Schmücken des Weihnachtsbaums auf dem Schrottplatz der Firma Titus Jonas in einer versehentlich zerbrochenen hässlichen Deko-Glocke einen Hilferuf. Ganz netter Anfang, bis man darüber nachdenkt, wen eine als Deko verschlüsselte Nachricht auf einer hässlichen Glocke darauf hätte bringen sollen, in deren Inneren nach einer Botschaft zu gucken. Jedenfalls brauchen die drei von nun an mehr als eine halbe Stunde, um herauszufinden, woher die Glocken überhaupt kamen. Da ist man schon mal mächtig geplättet und hat zu allem Übel auch noch Tante Mathildas Freundin Emily schief singen gehört.
Wenn man nun glaubt, dass es jetzt losgeht, hat man sich nicht nur geirrt, sondern immer noch fast drei Stunden vor sich. Also: Die Spur führt in ein Heim für schwer erziehbare straffällige Jugendliche oder so, in dem Kathy, die Gestalterin der Glocke, in einem Krankenzimmer abgeschirmt wird. Die verlogenen Detektive schmuggeln sich als Praktikanten ein – man hat ein Déjà-vu unter anderem mit Episode 99, „Rufmord“ –, begegnen Mithäftlingen, einer Krankenschwester mit dem humorigen Namen Bell und einer undurchsichtigen Anstaltsleiterin, die eigentlich die Freundin von Emily ist, daher der Bogen zu den Glocken. Irgendwie wird Kathy plötzlich entführt und bei irgendeinem Typen versteckt, Mathilda, die genau so klingt wie Emily, erwirkt bei der Polizei anonym eine Drogen-Razzia in dem Heim, die nichts bringt, die Detektive trinken in der Zentrale Lebkuchentee und ein Peilsender befindet sich in einem Plüschpantoffel. Alles verläuft im Sande, bis Mathilda und Emily von der Haupttäterin mit einer Spritze bedroht werden, weil die drei Fragezeichen zu blöd sind, die Gefahr rechtzeitig zu erkennen. Am Ende wird wieder schief gesungen.
Dreieinhalb Stunden dafür. Mit einer Story, die zu erstellen man eigentlich lang Zeit hatte, doch anstatt sich wirklich etwas auszudenken, das die 24-Tage-Struktur sinnvoll abdeckt und trotzdem spannend ist, dehnt Minninger den Fall künstlich mit Verschleppungen in die Länge. „Das erzähle ich euch nicht am Telefon, kommt morgen bei mir vorbei“, zack, wieder ein Tag mehr für keinen Inhalt. „Das machen wir morgen“ kommt so oft, dass man erst die Protagonisten für blöd und dann den Autoren für arglistig hält, einem so einen Quatsch unterzujubeln.
Nicht nur die Story ist banal, auch die Produktion trägt das Ihrige dazu bei, dass man nicht bei der Stange bleibt. Die Protagonisten labern nur, man hört sie allesamt in einem Studio sitzen und sich gegenseitig mehrmals die Handlung erläutern, inklusive hanebüchener Begründungen, die man besser verschwiegen hätte, anstatt die Geschichte damit noch bekloppter erscheinen zu lassen. Kathy-Sprecherin Lucia Angelina Mahler overactet dabei, als wäre ihre Figur permanent besoffen. Und dann verliert man nochmal extra den Faden, weil weite Strecken als abgehörte Lauschaktionen inszeniert sind, am Telefon oder per Wanze oder so, die man gar nicht richtig versteht und die einem dann auch egal sind, weil man ja weiß, dass alles später nochmal nacherzählt wird.
Was nun die Figuren nicht zerlabern, übernimmt der Erzähler, der mit seinem Blabla die letzte Action aus dem Kopfkino nimmt. Wo früher die Figuren den bedrohlichen oder erschreckenden Umständen selbst begegneten und sie live für die Hörenden kommentierten, hört man jetzt Axel Milberg Sachen labern, die man auch akustisch hätte umsetzen können. Und so etwas kommt von genau dem Typen, der nicht nur Autor der Geschichte ist, sondern diese auch gleich zum Hörspiel verskriptete.
Als wäre es jetzt nicht schon öde genug, haut die Soundkulisse längst nicht mehr hin: Kreissäge und Hundegebell auf dem Schrittplatz sowie Blackys Krächzen in der Zentrale sind ja schön und gut, aber der Rest der Handlung findet ohrenscheinlich ausschließlich in einem Studio statt. Was dann Atmosphäre erschaffen soll, ist offenbar eine unterschwellig wabernde Musik, die allerdings so sehr wie ein Fremdkörper neben der Geschichte läuft, dass sie nur nervt.
Man kann Drei-Fragezeichen-Episoden in lang auch unterhaltsam und spannend kreieren, die Folgen 100, „Toteninsel“, und 150, „Geisterbucht“, sind die besten Beispiele dafür (Nummer 125, „Feuermond“, war eher so mittel, 175, „Schattenwelt“, war richtig scheiße, und die 200, „Feuriges Auge“, krankt ebenfalls so sehr an Längen, dass man nach dem Hören nicht mehr weiß, ob man sie mochte), auch „Der Dreitag“ war ein gelungenes Experiment. Ebenso die Kurzgeschichten: In denen kommen die Autoren besser auf den Punkt und belassen die Geschichten in der Knappheit, die den regulären Fällen ohne sinnlos hineingelabertes Beiwerk ebenso gut gestanden hätte.
Den ersten Drei-Fragezeichen-Advenstkalender, „Der 5. Advent“, veröffentlichte Europa 2012 noch wie einen solchen: An jedem Tag im Dezember bis zum 24. ein Snippet des Hörspiels, das erst im Folgejahr als komplette CD herauskam. Auch dieses Buch stammte von Minninger, da nahm man die Absurditäten in der Geschichte aber noch in Kauf, weil das Konzept neu war (bei den Drei ??? Kids gab es das schon seit zwei Jahren). In „Stille Nacht, düstere Nacht“ strickte man das Konzept 2013 auf 24 Stunden um und verlegte den sich um die „Masters Of The Universe“ drehenden Schauplatz in ein Hotel; hier vereitelte Volker Brandt, der in den ganz alten ???-Episoden noch normal als Sprecher überzeugte, jedoch in der jüngeren Vergangenheit als Pater Brown oder Inspector Lestrade wirkt wie ein Amateur, der Skripte abliest, aus ebendiesem Grunde als Wiederkehrer des Inspector Nostigan aus der „Geisterinsel“ die aufgrund ihrer Längen ohnehin nicht ganz überzeugende Umsetzung, während „Sherlock Holmes“ Christian Rode gewohnt geil abliefert. Die Story schrieb Hendrik Buchna, wie auch 2019 „O du finstere“, in dem der Krampus eine eingeschneite Berghütte heimsucht. In Marco Sonnleitners „Eine schreckliche Bescherung“ jagten die Drei Fragezeichen in einem Kaufhaus einen Elf, der ein bestimmtes Geschenk vom Weihnachtsmann sucht, und auch hier arbeitet Länge gegen Verständlichkeit.
Was waren dann überhaupt zuletzt richtig gute Hörspiele, nach dem Rechtsstreit, also ab Folge 121? Sehr wenige, muss man festhalten. Nummer 169, „Die Spur des Spielers“, war 2014 das letzte reguläre überzeugende Hörspiel, danach lediglich die Kurzgeschichten sowie die Planetariums-Folgen „Der dreiäugige Totenkopf“ 2017 und „Das Dorf der Teufel“ 2020 nach den Comic-Vorlagen. Die durch die Pandemie unterbrochene letzte Live-Tour „Der dunkle Taipan“ war charmant. Man wundert sich, dass sich das Team um Regisseurin Heikedine Körting die seit Jahren laute Kritik nicht zu Herzen nimmt; offenbar stimmt der Kontostand dagegen. Und wer die Sechs-LP-Box von „Böser die Glocken nie klingen“ kauft, trägt dazu bei. Und warum macht man das jedes Mal trotzdem wieder? Mea culpa!