Von Matthias Bosenick (06.12.2023)
Härte ohne Tempo, Schönheim im Lärm: Die Herausforderung, das schwierige Album nach der großen Aufmerksamkeit zu erstellen, meistert das Sludge-Doom-Trio Sâver aus Oslo damit, dass es sein zweites Album „From Ember And Rust“ einfach mal extrem geil sein lässt. Erwartungshaltung, Erfolgsdruck, scheiß was drauf, die drei machen einfach, worauf sie Bock haben, und das ist ohnehin die allerbeste Kreativitäts-Erfolgsformel. Dem kommt wohl zugute, dass alle drei Musiker bereits auf langjährige Erfahrung zurückblicken können – sie bündeln ihre Kompetenzen in Sâver und beglücken eine wachswende Gefolgschaft, die sich nach „From Ember And Rust“ noch vergrößern dürfte. Denn Sâver erweitern das Spektrum: Den neu für sich entdeckten Moog von der „Emerald“-Split-EP mit Psychonaut haben sie auf diesem Album auch untergebracht.
Was für ein Schreihals! Auf weiten Strecken hört man Ole Christian Helstad wie im Hardcore schreien, nur langgedehnter, wie ein zusätzliches Instrument, das über der Musik liegt. Und weil das so ist, fallen die Passagen, in denen er in sich gekehrt croont, umso mehr auf: Der Mann kann eben mehr, und es tut den Kompositionen gut, dass er seiner Stimme Abwechslung zumutet. Mehr kann er sowieso, schließlich spielt er bei Sâver auch den Bass, und weil die Musiker nur zu dritt sind, kommt jeder von ihnen ausgeprägt zu Gehör: Helstad groovt, rifft, findet tiefergelegte Melodien, sein Instrument ist mehr als ein Rhythmusbeiwerk.
Markus Støle versieht die sieben Songs mit einem sachdienlichen Schlagzeug: Seine Arbeit ist möglicherweise nicht filigran, aber wuchtig und effektvoll und damit perfekt in den Sound passend. Seine Snare tönt so breit wie ein Kiffer, seine Kickdrum unterstreicht die Langsamkeit der Songs, seine Hi-Hats legen sich wie ein Rauschen um die Gitarren. Die bedient Ole Ulvik Rokseth, und das auf differente Weise: Einerseits bedient er sie verschleppt rhythmisch-riffig, stets in Kombination mit dem Bass, andererseits generiert er mit ihnen auch Flächen, Strecken, Figuren, Atmosphären. Und dann gibt’s da ja auch noch den Moog, den Rokseth gelegentlich dezent in ausgewählte Songs einbaut.
Sâver strukturieren ihr dreiviertelstündiges Album wie das Ruhrgebiet: Die Grünflächen befinden sich nicht zwischen den Städten, sondern mittendrin. Hier baut das Trio also ruhigere Passagen nicht als Intro oder Outro in den Fluss ein, sondern mitten in die Tracks. Damit bekommt jeder der sieben Songs einen eigenen Anstrich, obschon es über das Album hinweg einen wahrnehmbaren Gesamtsound gibt. Songs wie „Primal One“ stechen da deutlich heraus, sie erweitern auch die Genre-Palette von Sludge und Doom in gruftigere, progressivere Randbereiche. Weitere Höhepunkte sind der Rausschmeißer „All In Disarray“ mit seinem minutenlangen repetitiven Riffgebretter am Schluss und „I, Evaporate“, offenbar die Fortsetzung von „I, Vanish“, dem besten Song von nur guten Songs auf dem Debüt.
Es ist ein Fest, „From Ember And Rust“ zu hören, immer und immer wieder, ebenso wie das Debüt „They Came With Sunlight“, das 2019 aus dem Stand überzeugte, sowie die Split-Veröffentlichungen „Emerald“ mit Psychonaut, auf der Sâver erstmals den Moog einsetzten, und die Single mit Frøkedal, die in eine akustische Folklore-Richtung ging. Die Experimente fließen jetzt dezent in das neue Album ein, und das ist reichlich fett gelungen. Was ein Glück, dass die Zusammenkunft der drei Veteranen der Osloer Untergrundszene kein Einzelprojekt war, hier wäre etwas Gutes verlorengegangen.
Auf Vinyl gibt es „From Ember And Rust“ in diversen Farben, als Splatter, in Neon, bunt gemischt und sonstwie optisch ansprechend, als brächte es für diese ohnehin schon geile Musik noch ein zusätzliches Kaufargument. Braucht es natürlich nicht, aber danke. „From Ember And Rust“ gehört in die Jahresbestenliste ganz weit oben.