Von Onkel Rosebud
Meine Freundin sieht sich zu älteren Männern vom Schlag des Schauspielers Joachim Król hingezogen. Vor einigen Jahren sind wir extra nach Lappland an den See gefahren, um die Szene aus dem Film „Zugvögel … Einmal nach Inari“ (1998) nachzustellen, wo der von ihm gespielte Protagonist Hannes Weber im Rahmen des internationalen Fahrplan-Wettbewerbs am Zielort aus dem Bus steigt. Aber eigentlich beruht unser Kult für Joachim Günther Król aus Herne auf dem „Ostern“ (Western in die andere Richtung) „Wir können auch anders“ aus dem Jahr 1993. Er spielt darin einen westdeutschen Analphabeten Rudi „Kipp“ Kipp, der mit seinem Bruder „Most“ (Horst Krause) in einem Hanomag L 28 nach Wendelohe in MeckPomn fährt, um das Erbe der Großmutter anzutreten. Durch naiv-unbedachtes Verhalten kommt es zu den merkwürdigsten Verwicklungen voller unterschwelliger Komik. Regisseur Detlev Buck gab damals die Bewerbung ab, die deutsche Lücke zwischen Aki Kaurismäki und Quentin Tarantino zu füllen. Daraus wurde zwar leider nix (Stichwort fünf Bibi’n’Tina-Filme), aber wir guckten seitdem jeden Film, den wir in die Finger kriegen konnten, wenn Joachim Król mitspielt.
Über die Jahre hatte diese Obstruktion Höhen (Der Krieger und die Kaiserin, Silentium, Die drei Räuber) und Tiefen (Donna Leon/Commissario-Brunetti-Reihe, Lutter und diverse sonstige öffentlich-rechtliche Krimis). Und nun hat sich Herr Król in sein eigenes, lebenskluges „Ekel-Alfred“-Format eingebracht: Endlich Witwer:
Das Ehepaar hat es lange miteinander ausgehalten, selbst als die Kinder aus dem Haus waren. Jetzt will sie die Scheidung, er stimmt zu, doch dann sitzt die werte Gattin plötzlich tot im Sessel vor dem Fernseher. Jubeln oder Trauern? Der Herr entscheidet sich, nun all das nachholen, was er zu seinem Wohlbefinden braucht und was er die letzten Jahre nicht haben durfte: einen Kühlschrank voller Bier und ein Riesenfernseher. Er schmeißt alles weg, was er mit seiner Ehefrau verbindet. „Ich hab‘ endlich meine Ruhe“ wird zum Mantra. Gängige Vorurteile werden vorerst bedient, aber dann kriegen wir einen eigensinnigen und reichlich verunsicherten Mann auf Glückssuche in einer einfallsreichen Handlung porträtiert, die sehr viel komplexer als das Stinkstiefel-Original ist. Der Film zeigt komödiantisch das Gegenbild zu den unternehmungslustigen Golden-Ager, und er setzt dem ersehnten Lebensabend zu zweit eine schön schräge Solo-Nummer entgegen. Es ist bizarr, skurril und ambivalent, als ob der junge Detlev Hand angelegt hätte. Leider mit zu viel Kiffen.
Joachim Król hat bestimmt die Filme „About Schmidt“ und „Besser geht’s nicht“ gesehen. Vermutlich hat er sich dabei vorgestellt, Jack Nicholson zu sein, insbesondere wenn grotesk-komische Situationen ins Tragische kippen. Denn das kann „Endlich Witwer“: Tragikomödie à la Toni Erdmann. Und noch besser, die Macher wie Schauspieler verzichten auf Rührseligkeiten und ein allzu geschlossenes Happy End. Król schafft es, in einer Hauptrolle viele spielerische Nuancen, Ton- und Stimmungslagen zu vereinen. Wie Jack Nicholson eben. Weiter so, ihr deutschen Autoren, Regisseure und Schauspieler.
Onkel Rosebud