Von Matthias Bosenick (05.10.2023)
So hätte es vermutlich geklungen, wenn der Richard D. James von heute seinen Aphex-Twin-Glitch in den Achtzigern schon produziert hätte: Die EP, deren gewohnt kryptischen Titel „Blackbox Life Recorder 21f / in a room7 F760“ man länger zu lesen braucht als die vier Tracks zu hören, ist erfreulich rhythmisch und trotz der angewandten Manipulationen entspannt hörbar. Es sind melodische Tracks, die man sich im Radio dennoch nicht vorstellen kann, dafür bastelt der Ire da viel zu viel dran herum, aber er baut Sounds ein, die man aus dem Synthiepop der Achtziger kennt. Wie man diese Tracks damals wohl aufgenommen hätte? Auf Kassette!
Künstlich generierte Sounds aus Rockmusik und Klassik waren über die Welt in diverse Songs und Hits der Achtziger verstreut, etwa der Snarekantenschlag, gesampelte Pizzicatos, im Tempo verfremdete gesampelte Chorstimmen, E-Drums und künstliche Hi-Hats, Fake-Cowbells und cheesige Synthietöne. Gibt’s hier auch alles zu hören. Experimentelle Anwender solcher Sounds gab es auch damals schon, etwa The Art Of Noise oder viele Vertreter aus der EBM-, Electro- oder New-Beat-Szene, deren grandiose Tracks vornehmlich eher radiountauglich waren, aber nun hat Richard D. James ja seitdem 40 Jahre mehr Erfahrung auf dem Buckel und überhaupt eine ungewöhnliche Auffassung davon, was er unter Musik versteht. So darf er sich auch gern selbst zitieren: Ein bisschen „Windowlicker“ findet sich im Track „zin2 test5“ auch versteckt wieder, etwas aus der „Drukqs“-Zeit wiederum im zweiten Titeltrack.
Denn auch wenn die vier Tracks hier von den Melodien und Sounds her eine eher chillige Anmutung haben, lässt er die synthetischen Beats und Percussioneffekte darunter bisweilen hyperaktiv klöppeln. Damit sind die Tracks sauschnell und entspannend gleichzeitig, vergleichbar mit Drum And Bass. Bei all dem Lärm, den man von Aphex Twin und Seitenprojekten bereits kennt, freut man sich, wenn man wie hier belegt bekommt, dass der Krachmacher seinen Krach auch in angenehm hörbar hinbekommt. Wie, das ist bei ihm ja keine Ausnahme? Stattgegeben! Seine Musik kann auf Unbedarfte stressig und unhörbar erscheinen, Bedarfte hingegen finden stets einen Grund zur Freude. Schließlich kennt man ja auch seine alten Ambient- und Downbeat-Tracks, und die sind definitiv nicht so unterschwellig deformiert wie die Tracks hier.
Bei Aphex Twin weiß man ja nie so genau, was er wann und wo so veröffentlicht. Nach offizieller Zählung ist „Blackbox Life Recorder 21f / in a room7 F760“ der erste Tonträger seit der „Collapse EP“ 2018, sein letztes und offiziell erst sechstes Aphex-Twin-Album „Syro“ ist sogar bereits acht Jahre alt. Sieht man einmal ab von Peel-Sessions und Live-EPs, die er digital verstreut, sowie das angebliche limitierte Tape, das er 2017 für das Fuji Rock Festival hergestellt haben soll. Alles zu sammeln ist bei dem Mann mit den unzählbaren Pseudonymen ohnehin unmöglich, vermutlich sogar für ihn selbst. Dazu kommt, dass zu lesen stand, er tausche gern auf Streamingplattformen einzelne Tracks aus, um die Musik permanent in einem Prozess zu halten. Das geht bei Vinyl-Veröffentlichungen gottlob nicht, und das sowie das gewohnt eindrucksvolle Artwork sind Gründe, sich die 12“ zuzulegen. Die Musik sowieso.
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