Von Matthias Bosenick (22.08.2023)
Kirk Brandon macht einfach verlässlich gute Musik, egal, mit welchem Projekt, ob Theatre Of Hate, Dead Men Walking oder Spear Of Destiny. Von letzterer Band gibt’s aktuell mit „Ghost Population“ eine neue LP, mit Rockmusik, melancholisch und kraftvoll, sehr melodisch und gesanglich inbrünstig, der Mann hat aber auch eine unverwechselbare, ausdrucksstarke hohe Stimme. Man kann es nicht weniger lieben als jedes andere Stück Musik, an dem Brandon beteiligt ist. Und so recht musikalisch voneinander trennen kann man seine Projekte auch nicht, aber das macht nichts, man bekommt immer Qualitätsmusik aus dem Londoner Postpunk-Waverock-Umfeld. Er hat ja auch immer versierte Leute mit dabei.
Die Jungs hier kriegen das so gut hin, eine melancholisch gefärbte Rockmusik enorm grooven zu lassen. Damit generierten Spear Of Destiny einen wunderbaren Kontrast zwischen schwermütiger Musik und gutgelauntem Groove. Hier geht es also nicht so zu, dass man die Platte auflegt – CD und Download erschienen bereits im Vorjahr, der LP fehlen mit „Evolution Day“, „Wreck“, „Coward 306“ und „Bread & Circuses“ bedauerlicherweise vier Lieder, der Rest ist zudem in der Reihenfolge vertauscht – und sich das nächstbeste Seil sucht, um sich damit dort zu erschießen, wo der See am tiefsten ist. Dafür steckt viel zu viel Kraft in den Menschen, die diese Musik erstellen, auch wenn ihre Stimmung wohl getrübt sein mag. Vielleicht ja auch nur die des Komponisten. Dem fallen dabei so tolle Songs ein, dass man schon beim ersten Hören den Eindruck hat, es bei diesen Liedern mit vertrauten Freunden zu tun zu haben und nicht mit Fremden, und das, obwohl Brandon sich nicht benennbar selbst kopiert, er hat seinen Sound, seinen Stil, seine Seele, und die dringt hier wunderschön aus den Rillen.
Und dabei ist Brandon auch noch so vielseitig. Sicherlich besteht die Platte vorrangig grob gesagt aus einer Rockmusik, die aus Postpunk und Waverock hervorgeht. Das Saxophon, dem er auch bei Theatre Of Hate schon immer zugeneigt ist, fügt dem Sound in ausgewählten Songs indes eine eigene Note hinzu, ein ebenfalls nur gelegentlich herausragendes Keyboard verleiht manchen Liedern eine wohlige Atmosphäre der Achtziger. Zudem wechseln die Tempi und die Stimmungen, die Songs sind nicht uniform. „Ballad Of The Dog“ etwa beginnt wie eine Art Piratensong zur Akustikgitarre, in den sich Lynyrd Skynyrd einmogeln. In „Waster“ dominiert das perkussive Schlagzeug, der Refrain ist ein mantraartiger Chorgesang. Den Stampfrocker „Evolution Day“ hätte Neil Young in den Neunzigern kaum anders hinbekommen, obschon dessen Gesang noch höher ist, aber nicht so kraftvoll wie Brandons, wenn der erstmal loslegt – mit seinen fast 70 Jahren. „You’re The Only Thing“ ist eine unverzerrt angeschlagene Depriballade mit ganz viel dunkler Leere. Im dramatischen „Wreck“ und in „Bread & Circuses“ kommt tatsächlich eine Trompete zum Einsatz. Die Rauswerfer-Hymne „Forever Their England“ hat einen Galopp-Rhythmus wie weiland die NWoBHM, einen Stadion-Chant und ebenfalls die Trompete – das große Kino.
Zur Band gehören auf dieser Platte neben Brandon altgediente Helden der Britischen Indie-Szene. Gitarrist Adrian Portas war bei Sex Gang Children und New Model Army. Bassist Craig Adams war bei den Sisters Of Mercy und Gründungsmitglied von The Mission, war bei Wayne Husseys Metal Gurus dabei, bei The Sisterhood, The Alarm, The Cult und Theatre Of Hate. Auch Keyboarder Steve Allan Jones übernahm Brandon von The Alarm. Schlagzeuger Phil Martini und Saxophonist Clive Osborne waren in zahlreichen Bands unterwegs, die eher weniger bekannt sind, was ihrer Qualifikation hörbar keinen Abbruch tut.
Nun ist Brandon mit seiner Veröffentlichungsweise schwer nachzuvollziehen. Das wie vielte Album von Spear Of Destiny ist dies eigentlich? Zum Vorgänger „Tontine“ schrieb er, es sei Studioalbum Nummer 14, veröffentlichte danach aber zwei im Lockdown entstandene Neueinspielungen älterer Alben, von denen nun also unklar ist, ob sie in den Kanon gehören oder nicht. Von den Live-Alben und Demo-Compilations ganz zu schweigen. Bedauerlich, dass die LP weniger Songs hat, als eigentlich zum Album gehören, aber dafür ist der Tonträger eben haltbarer – Brandon neigte zuletzt vermehrt dazu, seine Alben unangekündigt als billige CDr zu veräußern. Leider liegt auch kein Download-Code bei. Aber hey, dafür ist die Musik einfach mal grandios!