Von Matthias Bosenick (29.06.2023)
Das geht aber flott bei den Italienern: Drei Alben in drei Jahren! Auf „Out Of The Foxholes“ vertiefen Moon’s Mallow ihre Ausrichtung, die weniger nach Apulien als nach englischen Pubs klingt, nach einem bewegten Indierock, dem Emotionen so wenig fremd sind wie Ausflüge ins Folkige oder Psychedelische sowie eine virtuose Musikalität. Moon’s Mallow schmecken eher nach Bier als nach Wein, eine erfreuliche Nähe zu Luke Haines und The Auteurs lässt sich abermals nicht von der Hand weisen. Bandchef Gioia Coppola singt in mittelhoher Tonlage enorm ausdrucksstark und energetisch, schaltet aber, sobald erforderlich, auch mal ins Wispern um. Orgeln, Flöten und Streicher finden ihren Platz, die Stimmungen wechseln, und auch wenn es nie heavy wird, rockt es doch reichlich. Und macht Durst.
Gerade der Gesang steht sehr im Zentrum dieser Lieder, dringlich, zwingend, Coppola treibt sie damit voran, gibt ihnen inneren Halt und zieht die Hörenden in seinen Bann, er will sie alle mitreißen, einspannen, wie ein Magnet, wie ein Fliegenfänger, man bleibt an ihm haften und begibt sich mit ihm auf den Weg durch dieses Album, man kommt nicht von ihm los, und er hat eine Band hinter sich, um sich herum, die den Sog nur verstärkt, und man wird den Eindruck nicht los, als sei das Ziel der Pub und der Weg dorthin beschwerlich, finde die Reise aber in einer Schicksalsgemeinschaft statt, und als sei der Pub wie bei „Shaun Of The Dead“ ein lediglich gefühlt sicherer Ort, an dem man sich gegen die Welt verschwört und gemeinsam die Untergangsparty feiert, trotz allen Übels, nicht zwingend wider dieses Übel, weil man weiß, dass es hoffnungslos ist, das, was man benennen kann, wie im Quasi-Titellied „Hawks“, zu verändern, also tut man sich zusammen und bildet ein hedonistisches Bollwerk der nicht ganz so guten Laune. Cheers!
Auch wenn der bierselig-piratige Dreivierteltakt überwiegt, sind nicht alle Songs in ihm gehalten. „Serpent électrique“ etwa, der zweite Song, ist ein räudiger Rocker mit Tempowechsel, den Coppola auch noch auf Französisch singt. „Guest Star“ hat im Refrain ein wunderschönes mehrstimmiges Gesangsarrangement und am Ende kurz ein geiles Classic-Rock-Gitarrensolo, „Cyclamen Joe“ ist das balladeske Folklore-Stück mit der verschwörerischen Flüsterstimme sowie den Streichern und Flöten, „Raw“ ist genau das, klassische Rockmusik mit Orgel, reichlich spacig und sehr roh. Das wieder walzernde „I Know A Man“ beschließt Seite eins und eröffnet in einer veränderten Version Seite 2, reduzierter als die mitreißende erste Version mit Rock’n’Roll, Chor und Gegniedel. Und so setzt sich der bunte Reigen fort.
Coppola spielt eine akustische zwölfsaitige Gitarre, die den Songs einen glasklaren Sound verleiht. Als nunmehr festes Bandmitglied sorgt Anuseye-Gitarrist Claudio Colaianni für den Rock und die Psychedelik, Bassist Michele Rossiello (einst bei Atomic Workers sowie mit Colaianni bei That’s All Folks!, also ein Psychedeliker) und Schlagzeuger Damiano Ceglie (unter anderem Gast bei Crampo Eighteen, dem Projekt von Colaiannis Bruder und Ex-Mitmusiker von That’s All Folks!, Nino Colaianni) tragen den Groove in die Stücke. Für alle Extras ist Stefano Pomponio dabei, der Keyboards, Orgeln, Pianos, Orchesterarrangements sowie zusätzliche Percussion, Gitarren und Gesänge verantwortet; er ist als S.P. Jesus Gitarrist der Death-Metal-Band Natron sowie Gründer der Southern-Stoner-Hardrocker Madre de Dios, erstaunlich. Als Bonusstimme ist Stefania Morciano dabei, die unter anderem mit Ludovico Einaudi „La notte della Taranta“ sang. Damit untermauern diese neuen Songs einige beruflich bedingte personelle Wechsel (einige Gründungsmitglieder zogen zurück nach Brasilien) seit dem Debüt „Against All Gods“ aus dem Jahr 2021. Zum Glück setzte Coppola das Projekt trotzdem fort und formte daraus nun eine feste Band.