Von Guido Dörheide (12.03.2023)
Haaach – was ist das für 1 Jahr! Gerade mal knapp mehr als zwei Monate dran am seien, und schon neues Material von zwei meiner liebsten dedicated followers of the UK: Erst slowthai und dann Sleaford Mods veröffentlichen innerhalb einer Woche ihre neuen Alben und lassen wiederum kein gutes Haar an den rauchenden Trümmern des British Empire.
Sleaford Mods, das sind Jason Williamson und Andrew Fearn aus Nottingham, East Midlands, UK. Und so hören sie sich auch an: Williamson kotzt sich im wunderschön anzuhörenden Dialekt seiner Heimat über die Missstände in seiner Heimat aus und spart dabei wie immer nicht an Kraftausdrücken. Unter diese herrlichen Tiraden mischt Fearn wie gewohnt elektronische Beats, die sich immer ein wenig anhören wie auf einer leicht defekten alten Snaredrum eingespielt, sowie zahlreiche elektronische Effekte, Keyboardsounds und vieles mehr. So oder so ähnlich bereichern Sleaford Mods schon seit ihrem Debütalbum im Jahr 2007 das Leben all derer, denen das Vereinigte Königreich und eine nennenswerte Zahl an dessen Einwohnern (zuvorderst sei hier ein wunderbares und mehr als liebenswürdiges schottisches Ehepaar genannt, das mir persönlich bekannt ist) sehr am Herzen liegt und die dessen Niedergang kaum mit ansehen können.
In den ersten Jahren waren Sleaford Mods noch klar unter Postpunk/Electropunk einzuordnen, seitdem im Jahr 2012 nicht mehr Simon Parfrement, sondern Andrew Fearn für die musikalische Untermalung von Jason Williamsons Tiraden verantwortlich zeichnet, ist mehr Rap hinzugekommen, dennoch würde ich die Band nach wie vor unter Postpunk/Alternative wegsortieren. Williamsons Stimme hat einen hohen Wiedererkennungswert und bereits im ersten, dem Titeltrack des neuen Albums, formt er aus Gift & Galle unsterbliche Worte wie „I can feel the shit from your crisis rays spray up my back, because in England nobody can hear you scream – you’re just fucked, lads“ und proklamiert dann im Kehrvers „This is UK GRIM, keep that desk area tidy, put it in the bin – this is UK GRIM“. Ich glaube, Williamson verachtet sein Heimatland nicht, er kann nur nicht mit ansehen, wie es dort inzwischen zugeht. Denn so viel er auch herumgrantelt und so monoton und bisweilen auch düster sich Fearns Beats und Elektronik auch ausnehmen, ich höre immer noch eine gewisse Wärme aus der Musik heraus, die mich wünschen macht, UK wäre noch ein stolzes Mitglied der Europäischen Gemeinschaft, an dessen Seite und mit dessen Unterstützung wir eine schöne Zukunft gestalten könnten.
Aber könnten könnten Fahrradkette: Stattdessen hören wir „Fuck all that, I’m not here to please you, mate, Liz Truss, conformity. The smooth streets in the business quarter where the white Range Rovers hum, they sound lovely“ und „I do drugs in my head so I can still go to bed“ – und da haben wir das erste Stück des Albums noch nicht verlassen.
Auf dem dritten Stück des Albums, „Force 10 From Navarone“, wird Williamson von Florence Shaw von den großartigen und wunderbaren Dry Cleaning unterstützt. Und überhaupt: Unterstützung, Baby: Solche erfahren Sleaford Mods dann auch noch auf „So Trendy“ von niemand Geringerem als Perry Farrell, DEM Perry Farrell von Janes Addiction und Porno For Pyros, DEM Gründer des Lollapalooza-Festivals. Hammer! Und Hammer, wie sehr Williamsons und Farrells Stimmen in dieselbe Kerbe hauen.
Also hier Fazit jetzt, dass Sleaford Mods auch auf ihrem mindestens zwölftem Album weder langweilen noch irrelevant werden, im Gegenteil: Gegenüber ihren ganz hervorragenden letzten zwei Alben „Eton Alive“ und „Spare Ribs“ sehe ich hier eine schöne Weiterentwicklung.