Von Matthias Bosenick (27.01.2023)
Satte 14 Jahre vergingen seit dem letzten Film über die drei Juniordetektive aus Rocky Beach, da hat sich in Sachen Filmproduktion, Dramaturgie, Script und so auf Seiten der Filmhersteller sowie in Bezug auf Narration bei den Geschichtenschreibern sicherlich sehr viel getan, da muss ein dritter Film über Die drei ??? im Jahre 2023 doch ein Oberknaller werden – oder? Und wenn schon der Hintergrund mit Justus, Peter und Bob vielleicht eher willkürlich eingebettet ausfallen sollte wie bei den Filmen davor und die Visualisierung von etwas seit Jahrzehnten in Buch und Hörspiel Etabliertem grundätzlich keine leichte Aufgabe ist, dann ist „Erbe des Drachen“ wenigstens ein mitreißender Jugendfilm voller Abenteuer, Spannung, Action und Special Effects, etwa wie bei den „Goonies“? Nein? Nichts davon? Aber warum nicht?
Beginnen wir mit dem Guten an diesem Film. Bob ist akzeptabel getroffen, mit seinen Locken und der Brille sieht er aus wie die junge Version seines Hörspielsprechers Andreas Fröhlich. Die aus der Serie bereits bekannte Bibliothekarin Mrs. Bennett und der hier exklusiv eingebaute Special-Effects-Fachmann sind von dunkler Hautfarbe, das ist sonst eher nicht Thema, könnte somit also jederzeit auf Nebenfiguren zutreffen, von denen man es lediglich nicht weiß, weil es im Buch oder im Hörspiel nicht thematisiert wird, während man es im Film eben sieht. Der Filmscore ist angemessen, hat so ein synthetisches Achtziger-Pluckern wie bei „Stranger Things“, wo nicht der Schlagerstar Mark Forster grölt. Die Sequenz kurz vor Schluss, in der die drei Detektive – wie sonst vor Alfred Hitchcock – ihre Recherche- und Ermittlungsergebnisse vortragen und den kompletten Fall erklären (und dabei den Satz zu ihrer Visitenkarte unterschlagen), bildet ungefähr das ab, was man sich unter „Die drei ???“ vorstellt, in Tempo, Brillanz, Dialog, Emotion und Überraschungsmoment. Moderne Technik ist in den Fall angenehm eingebaut, aber nicht konsequent. Es tauchen diverse Sounds – das Telefon, Blacky – aus den Hörspielen, Motive von Aiga Raschs ikonischer Covergestaltung sowie einige plumpe Anspielungen auf frühere Fälle auf, da kann man nett auf Ostereiersuche gehen. Und die drei Figuren tragen typische Charakteristika, für die man allerdings nur einmal kurz googeln muss, um sie ins Drehbuch zu malen: Justus ist allwissend, Peter glaubt an Gespenster und Bob recherchiert. Nun: Wenn im Pressetext schon Begriffe wie „Markenkern“ fallen, weiß man, dass dem „Produkt“ trotzdem die Seele fehlen wird.
Die Story: Peters Vater, Mitarbeiter in Hollywood beim Film, was auch in der Serie zutrifft, vermittelt den Jungs ein Praktikum bei einem Filmset in Rumänien – also nicht mal in Hollywood, geschweige denn in Rock Beach! – zu „Dracula Rises“, umgesetzt von einer jungen Regisseurin. Man düst also – laut Film erstmals, da wird BJHW (Brigitte-Johanna Henkel-Waidhofer) Veto einlegen – über den Atlantik und quartiert sich in einem Spukschloss ein, in dem 50 Jahre zuvor ein Junge aus einer längst zugemauerten Krypta verschwand und in dem womöglich heute noch der Vampir umgeht, der 150 Jahre zuvor dort seine Geliebte datete. Die inzwischen natürlich alte Schwester (Gudrun Landgrebe) des Verschwundenen gestattet die Dreharbeiten, ein Bediensteter mit Schäferhund kontrolliert derweil kaum weniger knurrig als der Vierbeiner, dass niemand über die Stränge schlägt. Was natürlich trotzdem passiert: Nächtliche Klopfgeräusche bringen die drei Detektive auf den Plan. Sehr zum Missfallen von Peters Vater – und den Verursachern der Klopfereien. Sogar die drei Jungs zerstreiten sich über die Prioritäten, aber wenn Bob nicht den Grundriss für das Schloss aufgetrieben hätte, wäre der Fall unlösbar geblieben. Schön.
Dann mal zu den serienspezifischen Details. Tante Mathilda (Jördis Triebel, „Emmas Glück“) ist hier ein zeterndes, aber knackiges Fangirl und Onkel Titus ein tumber Ramschsammler. Peter und Justus entsprechen vielleicht optisch einigermaßen ihren Figuren, charakterlich aber nicht, beide sind enorm unsympathisch. Justus‘ Ausdrucksweise ist nur willkürlich so gewählt, wie man sie von ihm kennt, und ansonsten die eines typischen Jungen, und Peter ist eher zickig als ängstlich. Trotz fehlender Beweise veranlassen die drei eine Durchsuchung ihres Hauptverdächtigen, was in der Serie eher undenkbar wäre, da hätte spätestens Justus seine beiden Schnellschützen zurückgepfiffen. Der Beef mit Peters Vater nervt, an sich unterstützt er die drei doch eher in ihrem ermittlerischen Tun. Noch mehr nervt der Beef zwischen den drei BFFs selbst, die zwischendurch nicht mal miteinander reden, was wohl das Ende des Detektivbüros darstellen soll, aber kein Bisschen so herüberkommt. Konflikte lösen sie in der Regel vielmehr sofort oder lassen sich einfach auf Justus‘ Iden ein, auch wenn sie dazu zunächst murren. Solche pseudoemotionalen Momente nehmen dem Film die Möglichkeit, eine überzeugende Atmosphäre zu generieren.
Denn das gelingt gar nicht. Die Szenen wirken wie klotzartig aneinandergeklatscht, inklusive willkürlicher Bilder aus dem zu drehenden Film, Eindrücke können sich nicht vertiefen, Bindungen zwischen den Figuren können nicht entstehen, das Schloss in seinen blassen Farben kann nicht gruselig wirken. Filmisch hat man es eher mit einer Abfolge von Standards zu tun, von denen man aus zahllosen anderen Filmen weiß, welche Wirkung sie haben sollen, findet aber kaum – Ausnahmen gibt es, etwa die Schnitte auf den Griff des herumgeschleppten Koffers mit dem Medaillon – eine eigene Bildsprache oder einen überzeugenden Fluss zwischen den Sequenzen. Die drei Fragezeichen stolpern durch den Fall, dem jede Dynamik abgeht, weil sie nicht stringent bei der Sache sind, sondern zu viele Nebenschauplätze das Tempo und die Struktur herausnehmen. Dazu kommen Logikprobleme: Wenn der Gang in die Krypta geheim war und dem Dracula von vor 150 Jahren als Zugang diente, wie kam der dann vom Fluss aus da hin? Und wie rückte der verschwundene Bengel nach seiner Flucht allein die schwere Statue zurück auf den Eingang?
Das alles erstaunt, weil mit André Marx der beliebteste Buchautor der Nach-US-Zeit am Drehbuch mitarbeitete, ein Mensch mithin, der die drei Detektive im Blut haben sollte wie sonst kaum jemand. Vielleicht ist sein Buch zum Film ja besser, befreit von den Elementen, die man für ein Kinoabenteuer als wichtig erachtete, die aber nur stören. Da waren die ersten beiden Filmversuche mit den drei Fragezeichen gelungener, auch wenn das, was da die Hauptfiguren darstellte, auch jede andere Triokonstellation hätte sein können, weil immerhin Dramaturgie, Action und alles besser überzeugten: „Das Geheimnis der Geisterinsel“ 2007 und „Das verfluchte Schloss“ 2009 waren den Weg ins Kino noch wert. Die Grundelemente von „Erbe des Drachen“, der übrigens nix mit Fernost zu tun hat, sondern mit dem Drachen, der im Wort „Dracula“ steckt, mit Lageplan, Krypta, Geheimgängen, verschwundenem Menschen und verschollenem Schatz, ergäben sicherlich einen spannende Geschichte, wenn man die richtigen Leute damit beauftragte – also besser nicht André Minninger, der die letzten 120 Hörspiele überwiegend versemmelte. Als Kinoabenteuer taugt es jedoch eher nix, die drei Fragezeichen überzeugen eben am besten im Kopfkino.