Von Guido Dörheide (15.01.2023)
Aaaaah – John Tardy. Beste Stimme des Death Metal? Auf jeden Fall ganz, ganz vorne irgendwie immer mit bei, so auch auf „Dying Of Everything“. Und dazu liefert Trevor Peres Riffs, die gut im Ohr hängenbleiben und von Terry Butler bassistisch untermauert werden, dass es schöön wuchtig und dabei immer warm und angenehm in die Ohren reindröhnt. Und Johns Bruder Donalds Schlagzeugarbeit ist auch wieder über jeden Zweifel erhaben, stoisch, präzise und mit einem tollen, rohen Sound baut er ein solides Gerüst für die wirklich gut geschriebenen Songs auf und klingt dabei nie angestrengt, egal bei welchem Tempo.
A propos Tempo: Gleich beim ersten Stück, „Barely Alive“, donnert Donald los wie nichts Gutes. Dabei ist der Song zunächst mal nicht mal richtig schnell, aber da kümmert sich der Drummer nicht drum, das ist ein Problem der anderen Musiker. Und das funktioniert super. Und ja, Scheiße, jetzt ist der Rezensent natürlich gefangen im hypersensiblen Abhören des Schlagzeugs und darob völlig taub gegenüber dessen, was die anderen Instrumentalisten und der Sänger da abliefern, und das völlig zu Unrecht.
Wer hier – wie ich – im Besitz eines Autos mit geringfügig basslastigem Audiodingensbummens aus den späten 2000ern ist – achtet mal darauf, wie die Rhythmusgitarre und der Bass auf dem neuen Werk von Obituary zusammenspielen. Auf geradezu jedem Song auf „Dying Of Everything“ ist das 1 apselutes Fest, und dazu noch die präzisen, bösen Drums und John Tardys stets herzerwärmender und dennoch evil klingender Gesang – irgendwie sind Obituary doch immer die Napalm Death des Death Metal. Die machen nie was falsch und kommen dabei knuffig rüber. Eine Welt ohne diese Band wäre nicht nur undenkbar, es wäre auch einfach nicht diese Welt, so wie wir sie kennen. Also diese Welt mit Napalm Death undsoweiter.
Unterdessen machen Obituary auf „Dying Of Everything“ einfach mal so weiter, als würde dieser Rezensent hier einfach gar nicht weiterschreiben. Und das ist auch gut so: Einfach mal zum Beispiel „By The Dawn“ anhören: Dunkle Gitarrenklänge eröffnen das Stück, dann ein schnelles, aus anscheinend kaum mehr als einer Note bestehendes Riff, John Tardy singt nicht wirklich schnell, dafür wirklich böse, dann wird ein nicht von dieser Welt quietschendes Solo nach dem anderen eingebaut – wunderbar! Und am Ende liefert Peres innerhalb desselben Songs nochmal einige Riffs, aus denen viele andere Bands ein ganzes Album zusammengebaut hätten. Toll.
Diese Band gibt es – unter diesem Namen – nun schon seit 34 Jahren. Und wenn sie das nicht täte, würde ich sie sofort erfinden, mit Unterstützung des Herausgebers dieser Institution der Musikjournalistik hier (ohne ihn gefragt zu haben, Matze wird schon okay damit sein). Weil die Welt einfach eine Band wie Obituary braucht, auf die Verlass ist, die gut klingt, ihre Instrumente beherrscht, glaubwürdig ist und deren Alben Spaß machen und nach vorne losgehen. Nämlich.