Von Onkel Rosebud
Meine Freundin hat ein Problem mit Western. Staubige Männer in grobem Leinen, ein wenig Herumgeober mit Pistolen, Saloonpiano, Gelächter, Hosenträger, Duelle, ein Hut landet in der Asche, andauernd passiert irgendetwas in Zeitlupe, einsam wortkarge Typen reiten durch einsame wortkarge Landschaft, Hüa, Hoooh, Brrr, und so weiter. Ihrer Meinung nach haben Western einen ähnlich meditativen Charme wie die Tour de France oder Kamerafahrten der schönsten Zugstrecken Europas.
Für „Godless“ hat sie eine Ausnahme gemacht. Das Besondere an der Sieben-Episoden-Mini-Westernserie aus 2021 mit Michelle Dockery und Jeff Daniels ist, dass sich die ohnehin genretypisch entschleunigte Zeit noch einmal streckt, bisweilen ist es, als stünde die Zeit still. Die Geschichte der Gemeinde La Belle, die ausschließlich aus Frauen besteht, des Revolverhelden Roy Goode und des diabolisch theologisierenden Schurken Frank Griffin gewinnt ihren Charme aus dem Mut, mit dem die Serie mit manchen Genreüblichkeiten bricht: Die Frauen sind keine aufgerüschten Püppchen, der Sheriff ist ein kurzsichtiger Tropf, der wie in einem Jacques-Tati-Film durch die Steppe stolpert. Es existiert überhaupt ein sehr überraschender Hang zur stillen Komik. Und alles soooo langsam.
Die Western-Settings und besonders die Landschaftsaufnahmen in „Godless“ begeistern auf der ganzer Linie. Auch in Sachen Ausstattung, Kostüme und Kulissen passt alles, jeder einzelne altmodische Schnurrbart erscheint hier stimmig.
„Godless“ ist grandios gefilmt, genial erzählt und der fulminante Showdown hat die beste Schießerei aller Zeiten.
Onkel Rosebud