Von Matthias Bosenick (14.12.2022)
Lärm, ihr Fukker! Mit allem Grund, zusätzlich zu dem, den einem die Welt so zu Füßen legt: Zwischen dem zweiten Album „Rogo“ und dem neuen „Soot“ brannte der Proberaum des Stuttgarter Trios aus, mit einer überwältigenden Spendenaktion gelang es Trigger Cut, sich – die Wendung liegt nicht nur wegen des Covers nahe – wie Phoenix aus der Asche zu erheben, oder auch aus dem titelgebenden „Ruß“. Acht Lärmbrocken, abgehorcht bei Noise Rock und No Wave aus dem New York der Achtziger und Neunziger sowie dem Post-Hardcore der späteren Fugazi, mischen sich Trigger Cut ihre eigene Mixtur aus Rock’n’Roll und Lärm, mit Groove, grandiosen Einfällen an den Instrumenten und einer unerwarteten Catchyness, die sich bisweilen aus dem Gebrüll herauswindet.
Mal wieder so ein Beispiel für: Ach was, das sind nur drei Leute?! Gitarre, Bass, Schlagzeug, einer übernimmt das Mikro, und los! Und weil die alle etwas können, sind die Songs nicht nur geil, sondern auch noch geil gespielt, die Sounds liegen dicht beieinander, hier entstehen keine Lücken, sofort ist einer da, der einspringt, sobald der Lärmstrom mal zu mäandern beginnt, mit einer Gitarrenfigur, mit einem Basslick, mit einem Drumfill oder einfach mit Gebrüll. Auch wenn sich Trigger Cut nicht vordergründig an klassische Songstrukturen halten, ergeben diese acht Stücke sehr wohl so etwas wie Lieder, sie tragen unterscheidbare Charaktere, transportieren eine eigene Wiedererkennbarkeit, setzen individuelle Wegmarken. Einmal ist es ein ungewöhnlicher Rhythmus, der das Stück dominiert, einmal ein wiederholt auf der Gitarre abgerufenes Melodiefragment, einmal der treibende Groove des Basses, einmal ein gebrülltes Schlagwort, das sich als steter Tropfen in den Kopf drängt. Dazwischen setzt das Trio immerfort Elemente, die mit dem Hauptsong nix zu tun haben, kontemplative Momente mit atypisch eingesetztem Instrumentarium, Experimente mithin, die den Lärm kurz auf eine andere Ebene heben, aber dann muss auch wieder weiter.
Erst seit knapp vier Jahren ist das Trio Trigger Cut überhaupt aktiv, ausgehend von Gitarrist und Sänger Ralph Schaarschmidt mit dem wilden Bart und dem zum eigenen Motto avancierten „Yessssssssss“ als Standardkommentar zu Sachen, die ihm gefallen, und davon gibt es einige, vorrangig Musik betreffend, noch vorrangiger Noiserock, alten Indierock, späten Hardcore, The Jesus Lizard, Big Black, sowas. Das langgezogene „Yes“ war auch der Grund, weshalb Trigger-Cut-Freund Sam Hunt die sechsteilige Unterstützer-Compilation zur Refinanzierung von Equipment und Proberaum mit „Nooooooooo!!!“ betitelte (mit in Summe 263 Songs, so viele Leute begeistern Trigger Cut). Schaarschmidt betrieb zuvor das Trio Buzz Rodeo, bis er mit dem bereits nach dem ersten Album „Buster“ ausgestiegenen The-Automatic-Drummer Sascha Saygin und Bassist Daniel Wichter Trigger Cut gründete. Als Drummer ist nun Mat Dumil dabei, der seine Meriten zwischen Jazz und Metal erwarb, wie es sich gehört, beste Mischung. Wenn einer schon live beim Funk-Soul-Duo Quentin Copper & Nas Mellow oder beim Hip-Hop-Lounge-Projekt Kuba einspringt, sagt das viel aus über den musikalischen Horizont.
Das Comeback-Album „Soot“ nur ein Jahr nach dem Vorgänger ist keine halbe Stunde lang, aber so abwechslungsreich und druckvoll, dass das nicht auffällt. Kann man ja einfach öfter umdrehen, die Platte. Auf Vinyl gibt’s diese auch in Weiß.