Von Matthias Bosenick (21.11.2022)
Über drei Kontinente erstreckt sich die Zusammensetzung des Projektes Absent In Body: Europa, Nordamerika und Südamerika. Igor „Iggor“ Cavalera (Ex-Sepultura, Brasilien), Scott Kelly (Neurosis, USA) sowie Colin H. van Eeckhout und Mathieu J. Vandekerckhove (Amenra, Belgien) verbinden sich zu einer Musik, die Doom, Sludge und Industrial kombiniert und einem finsteren Horrorfilm bestens zu Gesicht stehen würde. Mitten in der Coronazeit huldigen die vier dem „Plague God“, und das viel zu kurze Ergebnis lässt auf mehr hoffen, mindestens die Wiederveröffentlichung des fünf Jahre alten zwanzigminütigen Auftakttracks „The Abyss Stares Back Vol. 5“.
Die Saiteninstrumente sind erheblich tiefergestimmt, das Tempo mächtig reduziert, die Intensität wankt zwischen Gebrüll und Stille, das Schlagzeug ist streckenweise synthetisch, Melodien sollte man nicht vorrangig erwarten, gute Laune hat hier niemand. Herrlich! So schön kann Schmerz sein. Schönheit geht hier tatsächlich auch, zumindest kurz, wenn nämlich nach ungefähr 25 Minuten mitten im Track „The Acres/The Ache“ die Stimme klare Melodien singt und die Sounds dahinter ebenso wohligwarm die Dunkelheit zelebrieren, überrascht das auch nach der vorangegangenen postrockig-wavigen Flüsterpassage am Ende von „In Spirit In Spite“ sehr inmitten des Infernos, das das Quartett ansonsten entfacht. Neben eingestreuter Stille, die es zwar ebenfalls zulässt, die jedoch nichts so Harmonisches enthält, sondern vielmehr den Abgrund, die Düsternis transportiert, die Absent In Body ansonsten mit Lärm ausdrücken; da ist jede Stille vielmehr ein Luftholen, eine Feuerpause.
Es erstaunt, wie sägende Gitarren warm klingen und trotzdem bittere Kälte verströmen können. Der Opener „Rise From The Ruins“ erhebt sich aus der schwarzen Leere und bricht als Lawine los, mit einer Keifstimme und hernach einem verzerrten Growlen, wie man es sich in Monsterfilmen vorstellt. Vecna am Mikrofon, quasi. Kelly und Vandekerckhove bündeln ihre Gitarren zu reduziert riffenden Vehikeln, van Eeckhout lässt dazu den Bass grollen und Cavalera trägt das Ganze mit exakt platziertem Beat, wo nicht der Synthie den Kältegrad erhöht. Diese Kombi aus synthetischen Sounds und Sludge überdies kennt der Kelly-Fan bereits von dessen Projekt Mirrors For Psychic Warfare, das er mit Sanford Parker betreibt, so neue Wege beschreiten Absent In Body da also gar nicht. Hier nennt man unter anderem Front 242 als Einfluss, und jenem dürften mithin nicht nur die beteiligten Belgier verfallen sein.
„Sarin“ ist das Stück mit der durchgehendsten Intensität, in dem sämtliche Instrumente unter Volllast eingesetzt sind und die Stimme monströs dazu brüllt, kurioserweise derart rhythmisch, dass es beinahe an Rap erinnert. Industrial-Doom-Rap, Grüße gehen raus an Dälek. Es unterstreicht die große Abwechslung, wenn der Rest der Platte diesem Pfad nicht folgt. Atmosphären kreieren können die vier auch mit weniger Ungestüm, und Atmosphären kreieren sie, aber holla! Nur eben alles ohne Licht, das walte der Pestgott.
Das 36minütige Debüt erschien zwar bereits im März, aber aufgrund der Presswerkauslastungen kam erst im Herbst das Vinyl heraus, in diversen Färbungen. Blutrot passt am besten zur Musik. Und zum Herbst. Fehlt nur noch, dass sie den ersten gemeinsamen Track, den Absent In Body 2017 für den fünften Teil der Reihe „The Abyss Stares Back“ einspielten, erneut für die mit diesem Debüt geweckte Fangemeinde physisch zugänglich machen.