Von Matthias Bosenick (09.06.2022)
Dunkler geht Musik kaum, und trotzdem ist sie auf „The Beings Of Mind Are Not Of Clay“ wohligwarm: Die Drone-Bassistin Elena M. Rosa Lavita und der Industrial-Experimental-Musiker Marco Valenti, auch bekannt als Cameraoscura, tun sich zum Projekt Ælmā zusammen, um mit ihrem Instrumentarium in zwei ausgedehnten Tracks gesangsfrei über das Wesen des Menschen zu sinnieren. Zu so richtig positiven Ergebnissen kommen die beiden nicht, doch anstatt darüber sauer zu sein und die Keule zu schwingen, versinken sie in Depression und dronen vor sich hin – und das ausgesprochen ansprechend hörbar.
Man fühlt sich in einen dunklen Keller gesperrt, der von umherirrenden Seelen unzufrieden Verstorbener heimgesucht ist. Lavita bearbeitet ihren Bass mit dem Bogen, man hört sie angenehm über die Saiten ratschen, während sie dem Instrument das tiefste Wehklagen abringt. Legt sie den mal Bass beiseite, wirft sie ihre mitgebrachte Hohner-Melodica an. So unheimlich ihre Töne auch sein mögen, so warm sind sie erstaunlicherweise auch. Um den grundlegenden Horror indes zu steigern, addiert Valenti mit seinen Samplern elektronische Drones und verspukte Field Recordings. Einen Beat gibt es nicht, es bleibt bei Atmosphäre und einem paradoxerweise gleichsam unguten wie angenehmen Gefühl.
Das mag daher rühren, dass man als Hörender womöglich selbst so seine liebe Not mit der Menschheit hat und sich von den Tracks des Duos verstanden fühlt. Auch ein Grund für die positive Wahrnehmung ist sicherlich, dass die beiden Musizierenden es nicht mit ihren Effekten übertreiben und ihre Gerätschaft dosiert zum Einsatz bringen. Auch verzichten sie auf wiedererkennbare Melodien und repetetive Rhythmen, sie lassen ganz dem Gefühl den Vortritt und generieren federleicht eine bleischwere Atmosphäre. Dunkelheit klingt genau so.
Inhaltlich arbeiten sich Lavita und Valenti an Autoren wie Lord Byron und John Milton ab, verraten sie in ihrer Info. Sie beziehen sich auf Frankenstein und den Golem, behandeln die Idee von Körper mit und ohne Seele und umgekehrt und natürlich überhaupt das ganze Spektrum zwischen Leben und Tod. Ihre Musik beschreiben sie sehr poetisch mit „Black feathers lying on icy steel“, und das passt ausgezeichnet. Zudem taggen sie ihr Album mit „hate for mankind“, aber wenn Hass so schön klingt, kann der gar nicht negativ sein.
Den nur 15 produzierten Tapes liegt je ein Puzzleteil des Original-Artworks bei. Jede Tape-Seite ist nur gut 13 Minuten lang – und als wäre es nicht schon alles experimentell genug, heißen die beiden Tracks „( + DEE“ und „ǂ ) LOW“. Im Mastering erhielt das Duo überdies Unterstützung eines weiteren italienischen Electro-Experimentators: Enrico Cerrato alias Petrolio hatte die Hände an den Reglern.