Von Matthias Bosenick (17.02.2022)
Das Moskauer Label Bad Road Records legte um 2018 seine Arbeit nieder, viele der Bands wanderten zu addicted/noname ab, und von dort aus verwaltzet man auch den Backcatalogue. Ein Überblick rund um die Welt über das schwerpunktmäßig Doom, Sludge und Stoner beinhaltende Label, inklusive Ausflügen zum neuen Mutterlabel, mit: The Watchdogs, Gangrened, Gloomy Sunday, Albinö Rhino, Keepleer 18, Изразец, Her Highness, Sithter, Old Sea And Mother Serpent, Remote, Dirtpill, Fire To Fields und Ketamine.
The Watchdogs – The Stone And The Horde (Bad Road Records, 2013)
Grunzend geht die Welt zugrunde, aber bis dahin bekommen wir einen apokalyptisch guten Soundtrack. Doom und Sludge sind die Grundrichtungen, die das Moskauer Quartett heranzieht und auf denen es melodischen Kopfnickerblues herabmörteln lässt. Eigentlich sind The Watchdogs für klassischen Doom viel zu schnell, ist die Laune noch viel zu gut, sind die Songs viel zu kurz. Und was für ein fetter Sound! Was für ein Groove! Was für Riffs! Man führe sich nur mal exemplarisch den Song „Sunset Shall Hide“ zu Gemüte. Das gut halbstündige Album hinterlässt atemlose Hörende, die nichts weiter als den Wunsch verspüren, es erneut aufzulegen.
Das von Maria Phobia gestaltete Pappcover ist besonders, weil übergroß und aus starkem Papier. „The Stone And The Horde“ ist das einzige Album der Band, die aus den Trümmern der dem Hardcore zugeneigten Broken Fist hervorging, nach der EP „Black Light“, anschließend benannten sie sich um in Cannonball Mephisto und brachten vor drei Jahren sie „Shapeshifter“-EP heraus. Gitarrist Sergesy und Schlagzeuger Andrew machten den Wechsel offenbar nicht mit, dafür gehören Brüller Dmitry Sokolow und Bassist Evgeny Yeryomin weiterhin zum Line-Up.
Gangrened – We Are Nothing (Bad Road Records, 2014)
Von drüben hinterm Zaun, von Moskau aus gesehen, kommt die Band Gangrened, aus Finnland nämlich. „We Are Nothing“ ist 23 Minuten Doom in Reinkultur, hat nur drei Stücke, von denen zwei überlang sind und des ersten Taktzahl im niedrigen zweistelligen Bereich liegt, des zweiten alsbald nicht mehr so. Track drei ist eine lärmige Neudeutung des Stücks „Sixpack“ von Black Flag, heißt hier „Kontti“, was 24-Pack bedeutet, weil schwerer einfach schwerer ist. Die vier Finnen beziehen sich in Artwork und Inhalt auf eine Elite, die die Menschheit unterjocht, auf Verschwörungstheorien mithin, die man 2014 noch etwas gleichgültiger betrachtet haben mag als heute. Mit „We Are Nothing“ ist gemeint, dass die breite Masse für jene Elite keinen Wert hat.
Egal, die Mucke ist so heavy, wie es nur geht, auch in geringer Schlagzahl, wie es sich für Doom eben gehört. Ein Brocken! An dieser EP beteiligt waren Sänger Ollijuhani Kujansivu, Gitarrist und Bassist Andreas Österlund, Gitarrist Jon Imbernon sowie Schlagzeuger Owe Inborr. Nachdem Österlund komplett zu seiner Nebenband I, Captain abwanderte, brachten Gangrened im vergangenen Jahr in neuer Besetzung ihr erstes Album „Deadly Algorithm“ heraus.
Gloomy Sunday – Introduction To The Apocalypse (Bad Road Records, 2014)
Von noch einem Zaun weiter kommen Gloomy Sunday, aus Schweden nämlich, und nicht etwa aus Ungarn, wo das Lied herkommt, nach dem sie sich benannten. Wie so eine Apokalypse aussieht, zeigt das Cover, auf dem zwei Hände den klassischen Ziegenbock als Schattenspiel formen, und wie sie klingt, verraten die vier bis sechs Schweden mit grantigem Sludge. Eine gehörige Portion Death Metal liegt dem nur 26 Minuten langen Album inne, für den reinen Doom ist es etwas zu schnell und zu lärmend und kotzt der Sänger zu ausgiebig.
Bei Gloomy Sunday scheint es sich eher um ein Projekt mit wechselnder Besetzung zu handeln, bei „Introduction To The Apocalypse“ zudem für das bis dato letzte Lebenszeichen nach einem Album und einem Demo in den Nullerjahren. Das Internet zählt als Mitmusiker auf: Brian Talbot, Gitarrist, Schlagzeuger, sogar Sänger (bei den Hardcorepunks Doom aus Birmingham) und vielbeschäftigter Musiker mit unzähligen Aliassen; Denis Boardman, vielfacher Projektkollege Talbots, unter anderem bei den Crustpunks Blood Sucking Freaks; Jari Kuittinen, der wohl nur am Debüt „Beyond Good And Evil“ beteiligt war; Jon Eriksson, unter anderem auch bekannt von den Spacerockern Yuri Gagarin; Pär Boberg, der auch bei den Crustpunks ENS! Den Bass spielte; Stefan Joansson, der ebenfalls bei Yuri Gagarin weitermachte. Die diversen Einflüsse hört man auf diesem Minialbum heraus, es bleibt nicht beim Doom, es hat die Kratzigkeit des Punks und das Versponnene des Spacerocks, nur alles sehr heavy und ungebügelt. Nach Ablauf des räudigen Albums ist man reichlich aufgekratzt und braucht eher etwas Sanfteres zum Ausgleich.
Albinö Rhino – Return Of The Goddess (Bad Road Records, 2014)
Wieder zurück in Richtung Moskau: Albinö Rhino kommen aus Helsinki und veröffentlichten mit „Return Of The Goddess“ ihr als solches klanglich erkennbares erstes Demo. Das Schlagzeug klingt pappig, die Saiteninstrumente verhalten und der Gesang zu deutlich – was egal ist, weil die Songs zählen. Derer birgt dieses Demo vier in etwas über einer halben Stunde, was nahelegt, dass man es hier mit Stoner und Spacerock zu tun hat. Das bestätigt auch das einmal mehr von Maria Phobia gestaltete Cover, das jene Göttin nackt im All mit einem Spiralnebel vor ihren Genitalien zeigt.
Wo die Band zum Auftakt nicht einfach schleppend rockt, gniedelt sie, mit flirrenden Gitarren, abgehobenem Dudeln, bei Hawkwind gelernten Drones. Trotz der erkennbar schwer gemeinten Grundmusik und dem mantraartigen Grölgesang driften die Musiker immer wieder unversehens ins All ab. So muss das. Im Titeltrack erinnern Stimme und Atmosphäre an eine spacige Variante von Type O Negative mit orientalischen Elementen. Weird. Track drei hat etwas von einem Hörbuch, das ein gregorianischer Mönch zu entfesseltem Galopprock eindröhnt. Das Dumpfe verliert sich über die Spielzeit, man freut sich über die durchgeknallten Ideen der Band und kann nur staunen, was den drei Jungs schon auf ihrem Demo alles in den Sinn kommt. Pflanzliche Erzeugnisse möglicherweise. Als Musiker an Bord sind hier in der Tat nur drei, und zwar Bassist und Sänger Ville Harju, Schlagzeuger Wiljami Wäre sowie Gitarrist Kimmo Tyni, der parallel bei den Dreadlock Tales seine Studioerfahrung sammelt – einem Reggae- und Dub-Projekt, wohlgemerkt. Passt ja zu bekifftem Spacerock.
Keepleer 18 – Vammifiaa (Bad Road Records, 2016)
Ist das Brian Johnson, der da posthum herumkeift? Die hohe Stimmlage würde passen, die Mucke jedoch nicht, die ist eher im Doom angesiedelt, Sludge vielleicht, ein Bisschen Stoner, ab und zu riffiger Dreivierteltakt, zudem beherrscht der Sänger hier keine Melodien, er beschränkt sich auf nur eine Tonlage, das war bei AC/DC definitiv anders. Riffs bekommt man hier auch, nur andere, weniger eingängig, nicht weniger groovig, aber bisweilen so mit Lärm vollgepflastert, dass man schon genauer hinhören muss. Und Keepleer 18 sind definitiv um so einiges härter als AC/DC, wenn sie nicht ausnahmsweise auch mal einfach nur gelassen die Gitarren laufen lassen.
Mit dieser Band überschreitet das Moskauer Label die nächste Grenze, die zur Ukraine nämlich: Keepleer 18 kommen aus Чернігів (Tschernihiw), „Vammifiaa“ war nach Demo und Single das Debütalbum, dem 2018 das Album „Relictum“ sowie 2021 eine Tape-Split-Single mit Yanomamö aus Sydney folgten. Die vier Musiker nennen sich Artemius, Slava, Senya und nochmal Slava und rekrutieren sich aus den Bands Gromm, Die! Pig, Remorse, Fecality und Опять Мигрень („Wieder Migräne“). Der Bandname ist einzigartig, die Tracktitel sind dem in ihren Buchstabendopplungen angepasst, die Mucke ist amtlich auf die Zwölf und sogar für Sludge-Verhältnisse bisweilen recht abwechslungsreich, aber der Gesang strapaziert auf Dauer doch arg die Hörnerven. In „Riizofaar“ lacht der Sänger, und das nimmt man ihm ab. Trotzdem hat man hinterher wieder Migräne.
Изразец – Изразец (addicted/noname, 2021)
Zwischendurch etwas Neues vom Bruderlabel. Die Изразец (Izrazets) sind ein Trio aus Moskau, das auf eine Weise muckt, dass man das mit dem Trio nicht glauben mag. Nicht etwa fett produziert, sondern abgedreht vielfältig, wie es nur von einem mehrköpfigen Ensemble hätte generiert sein können. Das selbstbetitelte Studio-Debütalbum ist dem Bandkonzept folgend instrumental gehalten und wildert vom Noiserock ausgehend in Bereichen wie Jazz, Avantgarde, Punk und sonstigem Freestyle; man hört also auch Anleihen an Frank Zappa oder Fantômas. Dabei ist die Musik nicht unnachvollziehbar unstrukturiert, obwohl das Trio gern überraschende Wendungen in seine Kompositionen einbaut. Vielmehr experimentieren die drei Musizierenden einerseits an ihren Instrumenten herum und andererseits mit den musikhistorischen Gepflogenheiten. Ein Zehn-Minuten-Stück wie „Ожерелье“ kann schon mal sehr reduziert und beinahe kontemplativ improvisiert beginnen, um dann gelegentlich in hochtourige Rockmusik umzuschalten. Und wenn die drei auch mal vor lauter Lärm anstrengend werden, was sie echt auch erheblich können, schalten sie schon bald wieder ins Verträgliche zurück.
Изразец besteht aus den Musikern Dmitry Kuzovlev (Дмитрий Кузовлев, Gitarre), Dmitry Lapshin (Дмитрий Лапшин, Bass) und Oksana Grigoryeva (Оксана Григорьева, Schlagzeug). Bereits 2017 aufgenommen, folgt das Album den vorhergehenden Livealben „Концерт в ДОМе“ und „Концерт в культурном центре ДОМ“. Einige Stücke des Studiodebüts sind von jenen Gigmitschnitten bereits bekannt, etwa der Opener „Лобстер“ oder das genannte „Ожерелье“. Alle drei Musiker kennen sich von diversen anderen jazznahen Projekten, Lapshin etwa von Dogs Bite Back, Ototsky Quartet und БРОМ, Kuzolvev von Zlurad, Метро 3 und Рудольф sowie Grigoryeva ihrerseits von БРОМ. Ein Split-Tape mit БРОМ war dann 2010 auch der Auslöser, Изразец zu gründen. Und so dicht, wie die drei hier die Stücke weben, vermisst man eine Stimme nun wirklich nicht.
Her Highness – Visions Of A Lower Life (addicted/noname, 2021)
Bass, Schlagzeug und etwas Noise, mehr braucht es nicht, um mit Musik höchstmögliche Aufmerksamkeit zu erzeugen. Und dann ist Her Highness auch nur lediglich ein Duo. Es erstaunt erheblich, mit welch reduzierten Mitteln K.T. und K.A., wie sich die beiden Musiker nennen, dem Genre entsprechen – und dessen Grenzen doch sprengen. Doom und Sludge sind die Grundlage für Her Highness, und wenn man schon keine Gitarre hat, dann verzerrt man den Bass eben ein wenig mehr, dann passt das schon und lässt nichts vermissen. Musikhistorische Beispiele dafür gibt’s genug, dass man mit einem vernünftig eingesetzten Bass die Gitarre gar nicht fehlen hört. Und den Gesang auch nicht, den gibt’s hier ebenso wenig. Dafür gelegentliche Ambient- und sonstige Noise-Samples, die den Sound andicken, und den vermehrten Einsatz von Verzerrern und anderen Amps.
2014 gegründet, ist „Visions Of A Lower Life“ nach diversen Split-Singles tatsächlich erst das Debüt des Duos aus Budapest. Dafür nahmen die beiden in der Pandemie das Material auf, das sie zwischen 2016 und 2019 angesammelt hatten. Es gelingt den beiden vortrefflich, ihre Stücke geschlossen erscheinen zu lassen und das schwere Metall aus einem Guss zu formen. Inklusive attraktiven Ausformungen, etwa der reduzierten Passage in „The Burnt Offering“, in der das Schlagzeug dezent vor sich hin klackt und der Bass nahezu unverzerrt eine nette Melodei tiriliert, bis die Amps wieder zu glühen beginnen und der Bass das tonnenschwere Riffing fortsetzt.
Sithter – Evilfucker (Bad Road Records, 2014)
Dieses Mal geht’s nicht über eine Grenze, sondern übers Meer: Aus Japan, genauer: aus Tokyo kommen Sithter, „Evilfucker“ war 2014 ihr Debüt, gefolgt 2016 von „Chaotic Fiend“ sowie diversen Split-CDs, jüngst 2021 mit Gawthrop aus Südkorea und Miser aus Taiwan sowie mit Lucifungus aus Australien. Der „Evilfucker“ bedient sich im Doom, den er über die Genregrenzen hinausstreckt. Man hört Zeni Geva heraus, die Art des Gesangs, sehr abgehackt und zackig gebrüllt, gekotzt; man hört indes nicht den in Japan zu der Zeit recht populären Mathcore, heißt: Die Stücke bleiben schon in ihrem Fluss, hier hackt niemand am Doomstrom herum. Und der Doom von Sithter ist dicht, schwer, eruptiv.
Zum Zeitpunkt des Debüts bestand das Quartett aus: Bassist Wahei Gotoh, Gitarrist Hyo „Noise Fucker“ Kagawa, Sänger und Gitarrist Hiroyuki Takano (Church Of Misery, Psychotoblack, Psycho Business) sowie Schlagzeuger Takefumi Matsuda, später ersetzt durch Eriko Kagawa. Bei Sithter sind die Gitarren schärfer als bei anderen Doombands, sie scheren sich nicht um die Konventionen, wenn sie das Tempo anziehen und die Tracks mächtig rumpeln lassen. Hier ist jede Menge Kies im Getriebe, Wut, Energie, nicht Lethargie oder gar Depression. Hier steckt Punk im Doom. Inklusive Geschepper und Feedbacks, und das beste Feedback zu dieser Mucke kommt von der Band selbst, in der Mucke.
Old Sea And Mother Serpent – Chthonic (Pestis Insaniae 2013/addicted noname 2020)
So ging das also los mit Old Sea And Mother Serpent, damals, 2013, als das Duo seine ersten vier überlangen Songs auf den Markt rollte, die sich so viel Zeit lassen, dass es nicht Wunder nimmt, dass die Band bis zum zweiten Album „Plutonian“ neun Jahre brauchte. Aus Jegorjewsk (Его́рьевск) kommen Eugene und Antony, die hier die komplette Musik allein zusammenstellen, Gitarren, Bass, Schlagzeug, Samples und Gesang, und so klingen wie mindestens ein Quartett. Den langen Atem braucht man auch als Hörer: Es dauert die Hälfte des achtzehnminütigen Openers „She Of The Black Scale“, bis der malmende Geröllstrom von einer beinahe lieblichen Gitarrenmelodie erheitert wird. Kurz mal.
Episch sind die Tracks des Duos, ganz klar Doom, sehr weit draußener Doom, mit Dreivierteltakt, fuzzy Bass, tiefen Gitarren und Gegrunze. Abwechslung gibt es nur marginal, sobald die Gerölllawinen erstmal unterwegs sind, lassen sie sich auch nicht aufhalten. So kleine Abweichungen erfolgen oft erst spät in den Tracks, „The Haunt“ etwa wird erst nach einer Viertelstunde kurzzeitig sanfter, um für die letzten Sekunden nochmal aufzudrehen. „Demons Of The Sun“ ist mit fast 29 Minuten Spielzeit ungefähr so lang wie ganze Alben anderer Kollegen und erinnert damit inklusive der unerwarteten Ambient-Space-Passage wunderbar an alte Melvins-Preziosen, dafür schafft es der Instrumentale Rausschmeißer nach unter sechs Minuten ins Ziel. Geil an der Platte ist, dass das Duo offenkundig in allen Instrumenten sattelfest ist – keines lässt Lücken in der Fertigkeit, allesamt setzen die beiden sie fachkundig ein und damit eben die gelegentlichen Akzente, die wie Kieselsteine den Gesteinstrom verzieren.
Remote – The Gift (Bad Road Records, 2016)
Mit dem Glauben, dass Kiffen entspannt, sollte man sich nicht Remote aus Kaluga (Калу́га) anhören: Der Sänger kotzt grunzend seine Texte ins Mikro, der kann nur angepisst sein. Und wie angepisst der sein muss! Musikalisch bleibt das Trio zwischen Stoner und Doom verhaftet und dabei recht klassisch, rifflastig, bedächtig, tiefgestimmt, missgestimmt, episch. Kein Song unter sechs Minuten, der letzte der sechs dauert sogar eine Viertelstunde – und endet in einer Kakophonie. In der Zeit, die sich die drei nehmen, finden sie Muße für Breaks, so hat das Titelstück einige recht unerwartete Unterbrechungen. Ab und zu gönnt sich der Drummer einige Fills abseits der Riffs, gelegentlich mörtelt das Trio einfach vor sich hin, bisweilen gniedelt sogar die Gitarre mal, und immer wieder kotzt sich der Schreihals am Mikro ordentlich aus.
Evgeny, Pasha und Nikita nennen sich die drei Musiker, oder auch: Евгений Кравченко (Jewgeni Krawtschenko, gelegentlich auch Eugene), Павел Стасев (Pawel Stasew, gelegentlich auch Paul) und Никита Горячев (Nikita Gorjatschew). Das Cover gestaltete wiederum Maria Phobia. „The Gift“ ist nach einer EP und einer Single das zweite Album von Remote, danach setzte das Trio seine Aktivitäten erst 2018 mit einer Single und 2021 mit Single und drittem Album fort, inzwischen neu besetzt.
Über das Debütalbum aus dem Jahr 2014 soll hier der Mantel des Schweigens gebreitet werden. „The Great Bong Of Buchenwald“ heißt es und zeigt einen Kiffer, der den Qualm des KZ-Schlots inhaliert. Geht gar nicht! Das hat das Label wohl seinerzeit selbst gemerkt und die digitale Version im Titel auf „The Great Bong“ verkürzt und auf das Cover lediglich das Bandlogo gemalt. Aber nun ist der Scheiß in der Welt, auch bei Bandcamp noch, da wiederum zwar mit dem Cover, aber ohne Schriftzug. Und wenn das ja nur ein Witz soll: Es ist kein guter. Auch nicht von Antifaschisten. Und auch wenn die Mucke geil ist, weil deutlich abwechslungsreicher und verspielter als die späteren Alben.
Dirtpill – Oil Tank Blues (Bad Road Records, 2011)
Mit Dirtpill aus Krasnojarsk hält der Groove Einzug in den Doom. Und der Hardcore. Und der Punk. Die Schweine auf dem Cover des Debüts „Oil Tank Blues“ reflektieren die Art des Gesangs, der hier wie unproduziert klingt und dem Grunzen sehr nahe ist. Wie überhaupt die ganze Musik nach Höhle klingt, übers Telefon aufgenommen. Lo-Fi ist hier noch geschönt, aber das ist egal, weil die Sache an sich stimmt: Krakeelen, grooven, mosten, alles beseelt wie nix und von furioser Raserei getrieben und dabei handwerklich einwandfrei.
Zum Zeitpunkt der Aufnahmen waren Dirtpill zu dritt, und zwar mit einer wilden Instrumenteverteilung: Andy spielt Schlagzeug, Bass und Gitarre, Jugr Gitarre und Bass und von Jsb kommen Stimme, Geräusche und Samples, die die Mucke in der Tat enorm bereichern. Auch bei Dirtpill war bis auf eine Split-Single für lange Zeit nichts los in Sachen Veröffentlichungen, erst 2021 folgte mit „Circulation“ ein neues Album.
Fire To Fields/Dirtpill – Split (Xmen Records/Destroy Sounds Records, 2012)
Diese eine Split-Single teilten sich Dirtpill mit Fire To Fields aus Nowosibirsk. Die Mischung geht auf, dem Krach sind beide Bands sehr zugeneigt, wenngleich Fire To Fields zumindest im Opener noch am ehesten den waschechten Doom zelebrieren. Growlen, keifen und mosten können die Sibirer ebenfalls, aber anders strukturiert: Bei gleicher Spielzeit schaffen sie nur knapp ein Drittel der Tracks, nämlich zwei, während Dirtpill derer fünf beisteuern. Fire To Fields klingen beinahe gruselig, als verzögerten sie das Vorankommen ihrer Stücke selbst, oder besser: ihres Stücks, denn ihr zweiter Beitrag ist mit „Depress“ ein ausgesprochen noisiges Cover von EyeHateGod, die als Referenz über fast allen Bands auf Bad Road Records schweben. Die Struktur des selbstbetitelten Stückes lässt aufhorchen, belassen es die vier Musiker eben nicht beim klassischen Malmen, sondern versetzen den Strom mit Basssoli und beinahe avantgarderockigen Elementen, die man bei höherem Tempo im Mathcore verankern könnte. Ebenso interessant ist die Abmischung: Mal steht der Bass im Vordergrund, mal eine beinahe metallisch klingende Snare. Überdies verwundert, dass „Depress“ auf CD offenbar zwei Minuten länger ist als auf Bandcamp.
Das Gekeife nehmen Dirtpill dann gleich auf und behalten ihren Lo-Fi-Kurs bei, schieben ihre Samples dazwischen und scheren sich einen Dreck um Wohlklang. Dafür bringen sie ihren unerschöpflichen Ideenreichtum ein – zu zweit dieses Mal nur, übrigens: Андрей alias Andy behält Gitarre, Bass und Schlagzeug bei, von Иван kommen Stimme und Geräusche, Jugr fehlt, aber man hört es nicht, die beiden schaffen den Lärm auch allein, das absolvieren sie ansonsten auch unter dem Alias xRxAxNxGx, seit sie nicht mehr beide bei Kozhanyi Motör spielen. Bei Fire To Fields sind auf dieser EP dabei: Bass – Дима, Drums – Олег, Guitar – Вова und Stimme – Стас.
Ketamine – 25.807² (Bad Road Records, 2017)
Übers Meer und durch die Zeit geht die Reise zu Ketamine, denn diese Band kam aus San Francisco und löste sich schon 1996 wieder auf. „25.807²“ ist das einzige Album, das diese Gruppe hinterließ, und es kursieren unterschiedliche Trackangaben dazu im Netz. Bei Bad Road erschien es 2017 mit einem Bonus-Track, das ist immerhin eindeutig. Ausformuliert ergibt der Titel übrigens 666.001.249, was auch immer die Band uns damit sagen wollte – die nächst kleinere Zahl ergibt als Quadrat etwas unter 666 Millionen, vermutlich ist das schon der ganze Witz.
Im Sludge dieser Band steckt eine Menge Metal, wenn nicht sogar Hardcore. Der Gesang ist Gebrüll, gepresstes Shouting, angepisstes Kotzen. Die Begleitband rumpelt dazu, mal im Doom verschleppt, mal im Metal oder in irgendwas mit Core am Ende auf heavy gedreht, insgesamt oftmals überdreht. Die Band selbst nennt ihren Stil Sludgecore, und dem kann man schlecht widersprechen. Die vorliegende Besetzung ist das Ergebnis diverser Personaländerungen: Am Mikro brüllt Oliver Lodge, der zuvor mit einem Kumpel als Sad Sack die Single „Heino Us Bitch“ veröffentlichte. Bass und Sampler übernahm Jesika Christ, die eigentlich Gorton heißt und später bei Sangre Amado, Augurs und Ludicra spielte. Gitarrist Kevin Masters war später kurzzeitig bei Traitors Return To Earth. Schlagzeuger Claude Kraemer hinterließ sonst keine weiteren Spuren. Aber diese auf „25,807²“ sind tief: Wie man den Sludge nur so verlärmen kann! Vor dem Bonustrack läuft das Album quasi in einem Noisebrei aus, und kombiniert mit den Samples von Jesika hat der folgende Riffbreaktrack beinahe etwas von Ministry.