Von Matthias Bosenick (17.06.2021)
Was macht der alte Modfather denn jetzt wieder? „Fat Pop“, und dann auch noch „Volume 1“? Mit den synthetischen Beat am Anfang und der Bratzgitarre klingt der erste Song sogar nach Phillip Boa! So bleibt es nicht, der Godfather des Britpop ™ fährt bis auf den räudigen Punk sein gesamtes Arsenal auf, das er von The Jam über The Stylce Council bis zu den zurückliegenden über 30 Jahren Solokarriere anhäufte und kreiert daraus ein gewohnt abwechslungsreiches Album – Fat Pop, in der Tat. Besonders attraktiv in der Drei-CD-Box.
Man kann auch im hohen Alter noch offen sein für Experimente, und wenn man sie auch nur dezent in seinen Songs unterbringt. Schon auf „Sonik Kicks“ vor neun Jahren probierte Weller mit elektronischen Mitteln herum, und wenn er die jetzt dezent in seine fluffigen Kompositionen einbaut, bereichern sie das vertraute Soundbild. Er übertreibt es nicht, man muss sich nicht umgewöhnen, um „Fat Pop“ zu lieben, und man liebt es sofort.
Weil es „Fat Pop“ ist. Weller beruft sich in der Tat auf nahezu sämtliche seiner Stile, und dem Pop huldigte er ja schon mit The Style Council in den Achtzigern, nur dass der hier weniger glatt in Erscheinung tritt. Wie gewohnt tritt Weller gleichzeitig cool und ernsthaft auf, nur wirkt er nicht mehr so verärgert wie noch vor 20 Jahren. Von Altersmilde indes keine Spur, cheesy oder dudelig wird er nie. Zudem schart er Musiker um sich, die nicht einfach nur schlichte Auftragserfüller sind, sondern auch mal einen Streich mehr auf ihrem Instrument absolvieren dürfen. Auf „Fat Pop“ finden sich also nicht einfach nur gute Songs, sondern insbesondere gute Musik.
Natürlich erfindet ein Paul Weller nach fast 50 Jahren Musikerdasein sein Rad nicht mehr neu, man kennt die Melodieläufe, man kennt die Bläser- und Saxophonintermezzi, man kennt die drogenschwangeren Querflötentöne, man kennt die Streichereinsätze, man kennt die Britpoprhythmen. Interessant wird das Album durch die Art, in der er das Vertraute mit Neuem anreichert und neu kombiniert. Man kann einfach nicht weghören. Okay, den alten Punkrock lässt er hier weg, doch die Haltung bleibt.
Wie immer gibt es auch „Fat Pop“ als Super-Deluxe-Version, in diesem Falle nicht als Buch, sondern als Dreier-CD-Box mit dem regulären Album von unter 40 Minuten Länge, dazu das Corona-Live-Dokument „Mid-Sömmer Musik“, entgegen der sich anbietenden Ahnung nicht in Schweden, sondern in England aufgenommen, sowie die ergänzende EP namens „Fat Pop Bonus“, deren fünf Songs locker auf das Hauptalbum gepasst hätten, ließe man als sechstes den viertelstündigen Megamix weg. Interessant ist das „Volume 1“ im Titel, was aber auch eine Finte sein kann.
Trackslist „Mid-Sömmer Musik“:
01 On Sunset (von „On Sunset“, 2020)
02 Old Father Tyme (von „On Sunset“, 2020)
03 Moving Canvas (von „Fat Pop“, 2021)
04 Failed (von „Fat Pop“, 2021)
05 Village (von „On Sunset“, 2020)
06 More (von „On Sunset“, 2020)
07 Testify (von „Fat Pop“, 2021)
08 Still Glides The Stream (von „Fat Pop“, 2021)
09 Rockets (von „On Sunset“, 2020)
10 Mayfly (von „True Meanings“, 2018)