Von Matthias Bosenick (10.06.2021)
25 Jahre Gojira aus Bayonne! Das siebte Album „Fortitude“ kombiniert die meisten Elemente der progressiven Metalerneuerer, die man auf den vorherigen Alben schon zu lieben lernte, also verschachtelte Breaks, einiges Gebretter, Hymnen, fein ausgestaltete Tracks, hier indes konzentriert auf griffige kürzere Songs mit größerem Popappeal als früher, aber trotzdem weitgehend heavy. Beim ersten Hören also eher enttäuschend, da die epischen komplexen Wutausbrüche hier sehr stark zurückgenommen sind, der Rest aber dafür konziser auf den Punkt fokussiert. Und mit einigen neuen Elementen: Maultrommel! Äh, ja? Früher war mehr Stahlhütte.
Der Gesang von Joe Duplantier ist so abwechslungsreich, dass man ihn im Opener „Born For One Thing“ durchaus für Jaz Coleman halten könnte, insbesondere, da auch die Musik nach Killing Joke der neueren Zeit klingt. Zumindest, bis Gojira wieder ihre Brüche und Blastbeats dazuschalten, dann ist es typisch Gojira, und niemand sonst. Die typischen Passagen wiederum sind so typisch, dass man sie bereits von alten Alben kennt, mit geleierten Riffs, geschnauzten Texten und Chorgesang im Refrain; die Vorabsingle „Another World“ etwa bedient einfach mal alles Eingängige, das der Fan an Gojira liebt, quasi eine komprimiert zusammengefegte Rumkugel aus gut gespielten Versatzstücken. Und da steckt dann auch der Kritikansatz: Die brutaleren Elemente sind spätestens seit dem Vorgängeralbum „Magma“ sehr zurückgedrängt, wenn nicht verschwunden. Die Musik ist weicher, aber immerhin noch komplex genug, um trotzdem besonders zu sein. „New Found“ in der Mitte ist das längste Stück des Albums und mit seinem an epische Historienfilme gemahnenden ewigen Outro auch das ungewöhnlichste.
Dennoch, so gefällig waren Gojira vor zehn bis 20 Jahren nicht. Man muss halt auch auf seine Rente gucken: Die Band wird eben erwachsen und lernt, dass sie mit ihrem Konzept Massen erreicht, wenn sie es massentauglicher macht. Gut für die Kasse, schlecht für die Altfans. Neu ist hier höchstens der Einsatz von Maultrommel und Obertongesang, die aber eher wie Zierwerk, ein Gimmick wirken, nicht in Songs integriert. Das gilt sogar für das traditionelle Klickerstück, in diesem Fall repräsentiert durch das Titellied, das direkt in das Formatradiotaugliche „The Chant“ übergeht, dessen Titel genau wiedergibt, worum es sich handelt: Einen Chorgesang zum Weichspülmetal im Dreivierteltakt. Für Songs wie diese hört man Gojira nicht. Da hört man sofort heraus, dass es die Band von den Massen bei Festivals mitgechantet bekommen will.
Es ist schon reichlich enttäuschend, dass die einstigen Erneuerer des Metal so auf der Stelle treten. Aber nun. Dafür gibt es „Fortitude“ in diversen Vinylfarben; die im kotzgrünen Splatter ist die schönste. Traditionell dürfte als nächstes ein Livealbum zu erwarten sein, auf dem das älteste Lied maximal von der „L’Enfant Suavage“ stammt, aber angesichts der Pandemie ist das ja derzeit eher unwahrscheinlich. Immerhin: Die Franzosen holten für den Mix die Koryphäe Andy Wallace aus der Rente zurück. Das ist den Erwerb des Albums allemal wert. Und die Nostalgie. Sollten sie doch lieber endlich mal die alten Godzilla-Stücke wiederveröffentlichen!