Von Matthias Bosenick (19.11.2012)
Natürlich ist „Millenium Edition“, stilecht mit falsch geschriebenem lateinischen Jahrtausend, kein gutes Album im musikkritischen Sinne. Dafür ist es zu sehr Witz, das aber auf einem wiederum hohen musikalischen Niveau, wie es die drei Studio-Braun-Mitglieder Heinz Strunk, Rocko Schamoni und Jacques Palminger in ihrer langjährigen Karriere auch hinter grobem Unfug versteckt immer wieder unter Beweis stellten. Diese Wiedersprüchlichkeit unterscheidet den Studio-Braun-Witz von Comedy, also fast dem ganzen Rest der deutschsprachigen humorschaffenden Welt. Und Widerspruch als solcher ist auch der Kern dieser Veröffentlichung, die den Film „Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte“ begleitet.
Der Film ist eine Mockumentary à la „This Is Spinal Tap“, die im Dokumentarstil erzählt, wie Fraktus nach 25 Jahren Verschollensein auf die Bühnen zurückkehren, und lässt real existierende Musiker wie Westbam, Jan Delay oder H.P. Baxxter zu Wort kommen, die erzählen, welchen Einfluss die Musik von Fraktus in den 80ern auf sie hatte. Das neu eingespielte Album nun beinhaltet also Musik, die laut Film andere Musiker beeinflusste. Damit deren Hits auch wirklich rückblickend danach klingen können, dass wichtige Elemente bei Fraktus geklaut sind, mussten Fraktus eben bei ihnen klauen. Ein Möbiusband, ein Zeitparadoxon.
Die „Millenium Edition“ klingt also nach NDW, New Romantic, Synthiepop, Prototechno, allerdings mit den Produktionsmitteln von heute und dem kruden Witz der drei Studio-Braun-Komiker, die keine sind, aber dennoch komisch. Musik hatten sie ohnehin auf ihren Post-Telefonstreich-Alben immer mehr veröffentlicht, darunter Perlen wie „Polizeiboot Norbert“ und „AA-Fingers“, natürlich den Über-Saufhit „Mariacron“ auf der „Bierchen“-Single, und für die „Operation: Pudel“-Compilation 2006 den Hit „Affe, Sucht, Liebe“, der es jetzt auf die „Millenium Edition“ geschafft hat. Es war schon immer eine Stärke des Trios, Bestehendes zu adaptieren und es mit seinem höhnischen bis provokativen Humor in die Gegenrichtung zurückzuschicken. Ganz abgesehen davon natürlich, dass alle drei seit jeher, auch vor der Triowerdung schon, mehr oder minder erfolg- und einflussreich professionelle Musik machen. Schließlich, und das äußert sich auch auf der vorliegenden LP, sind sie alle drei Musiker, die hervorragend komponieren und arrangeieren sowie ihre Instrumente bedienen können.
Als Stück Musik kann man „Millenium Edition“ also nicht so sehr ernstnehmen. Dafür auf ander Ebene, und zwar auf der inhaltlichen, die sich nicht immer direkt im Text ausdrückt. Studio Braun vertreten und vermitteln eine Haltung, und eher für die mag man sie, als für ihre tatsächlichen Gags und Songs. Die Gags wiederum bekommt man vermutlich eher im Film zu sehen. Der läuft allerdings nicht überall – da heißt es, auf die DVD warten und ab und zu den Soundtrack hören. Der Opener „A.D.A.M.“ ist ein Ohrwurm. Und mit dem häufigeren Rotieren kommen weitere dazu. Doch: Der Witz ist gut.