Von Matthias Bosenick (31.07.2020)
Zwei Alben in 15 Jahren: Erwin Jadot aus Belgien veröffentlicht mit „7.7.49“ unter seinem Pseudonym Dream Invasion ein Ambient-Album klassischer Art, das Anklänge an die analoge Berliner Schule ebenso in sich trägt wie an moderne computergenerierte Synthieflächen. Gelegentlich generiert Jadot sogar Beats, zumeist bleibt er aber flirrend, flächend, fluid, allerhöchstens Dank der Pattern rhythmisch strukturiert. Nicht abgrundtief dunkel, aber auch beileibe nicht fröhlich, huldigt Jadot vielseitig der Zahl 7 und lässt aufkommende Fragen angenehm unbeantwortet.
Fragen wie: Ist der Musiker etwa am 7. Juli 1949 geboren? Könnte sogar passen, seine früheren Kollegen Daniel Bressanutti und Dirk Bergen sind auch nicht viel jünger; Daniel .B. wurde jüngst 66 Jahre alt (und veröffentlicht zu diesem Anlass unter seinem Namen das Remix-Album „Six+Six“ unter anderem mit Neuversionen von Front-242-Tracks). Jedenfalls strukturiert Jadot sein Album mit sieben Tracks à je sieben Minuten Länge schon mathematisch recht akkurat. Da nun aber die Sounds samt und sonders fließend ineinander übergehen, erscheinen diese Indizes möglicherweise recht willkürlich; dennoch trägt jeder Track einen Spannungsbogen, das ganze Album mithin ebenfalls.
Jeder dieser Tracks nun bietet auch eine andere Ambient-Ausrichtung, jedem liegt eine andere Herangehensweise zugrunde, jeder hat eine andere Atmosphäre, jeder eine eigene Dichte. Erscheint er Auftakt noch recht angefüllt und mit einem weiblichen Sprachsample versehen etwas aufgewühlt, ertönt für einen kurzen Augenblick sogar ein gedubbter Rhythmus, fällt Jardot bald in Muster der Berliner Schule mit analogen Synthiesequenzen, die wie ein Motor tuckern, lässt mit Flötentönen den frühen Krautrock durchtönen, verharrt kurzzeitig sogar in absoluter Stille, knurpst und knuspert wie im IDM mit einem Industrial-Beat und produziert Flächen und rudimentäre Melodien, die beinahe wie der Soundtrack zu einer Unterwasserdokumentation klingen.
Oder der zu einer Traumnacht: Das Konzept ist im Projektnamen hinterlegt, Jadot fragt den Hörer, ob er jemals Besuch in einem Traum hatte oder bei jemand anders im Traum zu Besuch war, ob man von einem Traum nachhaltig affektiert wurde oder ob man im Traum jemals Geräusche und Musik vernommen habe. „7.7.49“ ist quasi die Umsetzung derlei Erlebnisse in akustischer Form, und die Frage, ob man dazu wahlweise einschlafen oder ein entspanntes Nickerchen machen kann, lässt sich schon deshalb nicht beantworten, weil man der Musik dann doch lieber gebannt zuhört.
Abgesehen von seinem Debüt „Inspiration For A Daydream Nation“ aus dem Jahr 2005 trat Jadot als Gründungsmitglied des musikalisch ähnlich gelagerten Projektes Nothing But Noise in Erscheinung, das er nach dem 2012er-Debüt „Not Bleeding Red“ seinen beiden Mitstreitern Bressanutti und Bergen überließ. Nicht ohne einen Querverweis: Track 4 auf dem vorliegenden Album trägt den Titel „Red’s Not Bleeding“. Nach Front 242 hingegen klingt es hier nicht, allerhöchstens nach den ganz frühen Experimenten oder nach dem, was Bressanutti heute so anstellt. Nicht, dass da falsche Erwartungen aufkommen: Elektronische Musik aus Belgien ist nicht zwingend EBM.