Von Matthias Bosenick (29.05.2020)
How not to be seen: Es ist reichlich uneinfach, dieses Album zu reflektieren. Matt Johnson, einziges konstantes Mitglied des Projektes The The, nahm „See Without Being Seen” 1979 als Teenager im Kinderzimmer seines Elternhauses auf und veröffentlichte es als Tape. Mehr als 40 Jahre später restaurierte Johnson nun dieses Tape und ergänzte es um einige Bonustracks für die erste CD-Veröffentlichung dieses Albums. Das besteht aus rhythmischen Loops mit Stimme und Effekten, die musikalisch aus heutiger Sicht womöglich kaum wertvoll sind, dafür aber für die Historie von The The. Die CD richtet sich also an den Fan und Komplettisten, der bei Johnson ohnehin so seine liebe Not hat.
Es pluckert, loopt, schnarrt, zerrt, der junge Johnson sondert zu synthetisch erzeugten minimalistischen Tönen Texte ab. Mit dem, was danach unter dem Moniker The The noch kommen wird und was es zu Recht in die britischen Charts schaffte, haben diese Tracks noch so gut wie gar nichts zu tun. Mit einigem guten Willen mag man vielleicht heraushören, dass sich Johnson damit schon mal in Richtung „Burning Blue Soul“ aufmacht, sein offizielles Solo-Debütalbum aus dem Jahr 1981, das er erst 1993 dem eigentlichen The-The-Debüt „Soul Mining“ nachträglich voransetzte. Auch das Album klang eher weniger nach Songs als nach Experimenten, wie auch die parallel veröffentlichte Musik mit The Gadgets, strahlte aber schon mehr von der Wärme ab, die Johnson ab 1982 als The The in seine Songs einfließen ließ, mit der Single „Uncertain Smile“.
Man hört es auf „See Without Being Seen“ dem Schlafzimmeravantgardisten an, dass er Bands wie Throbbing Gristle und Cabaret Voltaire als Vorbilder hatte. Der leichte Industrial-Einschlag dringt aus den Tracks heraus, aber eben nur leicht, und doch ähnelt sich die Vorgehensweise beim Erstellen der Stücke vermutlich sehr. Die Form der Monotonie, die sich aus Loops ergibt, behielt Johnson auch auf seinen späteren Hitalben bei, nur verfeinerte er sein Songwriting erheblich und eignete sich die Fähigkeit an, diese Loops weniger monoton als groovend zu generieren und sie als Hintergrund für großartige Songs zu verwenden. Bis er in den Neunzigern den Bandsound kultivierte. 1979 indes war davon noch nichts wahrzunehmen.
Die ersten sieben Tracks stammen vom Tape, das Johnson als „See Without Beeing Seen“ damals unter die Leute brachte und dessen Originalspuren er bis kürzlich verschollen glaubte. Ein Tape-Rerelease vor einem Jahr beinhaltete drei Bonustracks, auf der CD sind es derer sechs. Bereits seit über 20 Jahren lamentiert Johnson darüber herum, dass er ja noch so viele unveröffentlichte Alben in der Schublade habe. 1999 erschien sein für lange Zeit letztes Album „NakedSelf“ auf Nothing, dem Label seines Fans Trent Reznor, und erst 2010 startete Johnson sein eigenes Label Cinéola, auf dem er The The als Soundtrackprojekt reaktivierte. Die Record-Store-Day-Single „We Can’t Stop What’s Coming“ sollte 2017 Teil des neuen Albums „The End Of The Day“ werden, das dann aber lediglich mit zwei weiteren Soundtrack-Arbeiten als Kollaborationsprojekt in der „Radio Cinéola Trilogy“-Box erschien.
Und dann gibt’s da noch sein Tape „Spirits“, ebenfalls 1979 aufgenommen und im Groben niemals veröffentlicht, sowie zwei weitere Alben aus der „NakedSelf“-Zeit, die das damalige Label Sony aber zurückwies und die Johnson auszugsweise auf seiner Webseite veröffentlichte. Und dann gab’s 1982 noch das Tape „The Pornography Of Despair“, dessen Tracks es auszugsweise auf Compilations und B-Seiten schafften. Und dann versteckte Johnson den Soundtrack zu „The Silent Tongue“ in der nur 2002 auf David Bowies Meltdown-Festival verkauften Promo-Compilation „Film Music“. Wenn Johnson nun also sein eigenes Label betreibt: Nur zu, einfach mal die Raritäten zusammenkehren, frühe Singles, Remix-EPs, Demos, Tapes, und eine schöne Box daraus stricken. Wer „See Without Being Seen“ kauft, lässt sich auch dafür erwärmen. Ganz sicher.