Von Matthias
Bosenick (04.11.2019)
Wenn das erste Hören des Albums im
Laden des Labelbetreibers von der Vinyl-Vorabpressung erfolgt, hat
man ohnehin eine ganz spezielle Verbundenheit zu dieser Musik. Das
allein macht „3:33 333“ aber nicht so hörenswert: Die
Süditaliener aus Bari ordnen sich im Heavy-Psych-Rock ein, was
bedeutet, dass man die Rauchschwaden ganz gut heraushört, die
musikalische Grundstruktur auf massiven Blues-Fundamenten fußt und
das Quartett nicht nur melodieverliebt gniedelt, sondern
zwischendurch auch fröhlich experimentiert. Auch beim dritten Album
bleibt der Bandname Anuseye zwar scheiße, ist die Musik aber im
Vergleich zum Vorgänger ein erhebliches Stück gereift.
Transparentes gelbes Vinyl!
Wenn dann am Ende des Openers „Sycamore Red“ plötzlich eine Orgel dudelt, als wäre sie bereits das gesamte Stück über präsent, wird einem spätestens klar, wie grandios Anuseye ihre Songs arrangieren. Das Genre selbst mag seit 50 Jahren ausgegniedelt sein, wie es heutzutage viele Genres sind, aber wenn man mit Spielfreude und Einfallsreichtum zuwege geht, verschafft man sich Gehör, und das vollbringen Anuseye hier mit Leichtigkeit: Bekiffter Blues mit Masse und Wucht. Frisch gespielt und offen produziert, hier dröhnt nichts abseits der Tannen, jeder Bestandteil ist klar differenziert, trotz der geschlossenen Heavyness. Kaum läuft die Maschine an, solieren die Gitarren, und kaum nimmt der stoisch treibende Rhythmus an Fahrt auf, unternimmt der Schlagzeuger auch schon Exkurse über den Seitenrand hinaus. Zum Schluss lockt dann das All, wie es sich für psychedelische Musik gehört, und man hebt mit der Band dorthin ab.
Überhaupt überrascht es, dass die Songs trotz eines geschlossenen Klangbildes so unterschiedliche Charakterzüge tragen. Auch wenn Anuseye das Tempo drosseln, reduzieren sie nicht ihre Impulsivität, und auch, wenn sie das Genre grob beibehalten, gewinnen sie ihm vielfältige Ausrichtungen ab. Interessant ist der Kontrast zum Vorgänger „Essay On A Drunken Cloud“ von vor fünf Jahren: Darauf wirkten Anuseye beinahe wie dazu gezwungen, das Genre einzuhalten, bei gleichzeitigem Willen, es mit Spielereien zu durchbrechen. Das Album ist gut, ganz ohne Zweifel, aber das neue ist besser, denn auf diesem erfüllen sie das, was sie vorher vorhatten, überzeugender, weil lockerer aus der Hand geschüttelt, beinahe wie von einem inneren Druck befreit.
Interessanterweise erinnert „3:33 333“ in seinem Sound gegen Ende beinahe an skandinavische Rockmusik, wie eine unmelancholische Version der Nullerjahre-Sort-Sol oder wie The Sandmen aus der gleichen Zeit, nur ohne Kühe. Auch meint man an einer Stelle Spiritualized herauszuhören, an einer anderen möchte man kurz Iron Maidens „Wrathchild“ anstimmen. Die Band erweiterte sich vom zweiten zum dritten Album übrigens zahlenmäßig um eine Person: Bandchef, Sänger und Gitarrist Claudio Colaianni tauschte zwei altgediente Musiker gegen drei neue aus; erstaunlich ist, dass man Anuseye dennoch und trotz genannter Referenzen am komplett eigenen Sound heraushört. Mit der Umbesetzung kappt Colaianni zudem die letzten Verbindungen zu That’s All Folks!, der Band, aus der Anuseye vor zehn Jahren hervorging. Ein weiteres Projekt von Colaianni war zwischendurch übrigens Colt38.
Den Titel „3:33 333“ erklärte Labelchef Davide Pansolin wie folgt: 3, weil es das dritte Album ist, 33 wegen der Vinyl-Umdrehungen und 333, weil die zitronengelbe Schallplatte auf exakt diese Anzahl Exemplare limitiert ist. „Und außerdem ist es die Hälfte von 666“, grinste er breit. Ein berauschender Moment: Vier Jahre nach dem ersten Treffen bei Vincebus Eruptum in Savonas Altstadt wieder dort in seinem kleinen Laden zu sitzen und die schwarze Testpressung dieses Albums einmal komplett durchzuhören, aufgelegt vom Inhaber. Das bleibt haften, und dann ist zusätzlich dazu die Musik auch noch so großartig. Sogar beinahe besser als Trombetta d’Albenga.