Von Matthias Bosenick (29.09.2019)
Man kann !!! nun definitiv nicht vorwerfen, dass sie sich in den vergangenen 22
Jahren nicht entwickelt haben. Vorwürfe hätten da ganz andere Grundlagen, denn
nicht jeder Altfan kann der Entwicklung folgen und wohl nicht jeder Neue dem alten
Werk etwas abgewinnen. Da ist Anpassungsfähigkeit gefragt, wenn man nicht einfach
abspringen will. Auf „Wallop“ erhalten bleibt der Tanzzwang, der von der Musik
ausgeht; geändert hat sich eben diese Musik, vom Funk-Punk-Handgemachten zum
Synthetisch-Clubbigen. „Wallop“ ist partiell eingängig, aber nicht gefällig,
und damit erleichtern es die fünf New Yorker den Skeptikern, sich auch der
neuen Ausrichtung zu öffnen.
Zackig frickeln
die Songs auf „Wallop“, das taten sie auch schon auf dem selbstbetitelten Debüt.
Damals indes hatte man es mit einer siebenköpfigen Band zu tun die ihre punkbasierten
komplexen und energetischen Tracks an Discoklassikern wie Chic geschult handgespielt
in die kleinen Clubs transportierten. Indie-Dancefloor für Fans von LCD
Soundsystem und – damals !!! ähnlich – The Rapture. Das Synthetische nahmen !!!
derweil schon recht früh in den Sound auf, seit der Hälfte ihrer bisherigen
Existenz bestehen die Alben jedoch ausschließlich aus künstlicher Tanzmusik. „Wallop“
setzt diese Linie fort.
Man hat auf „Wallop“ aber wieder häufiger den Eindruck, es überhaupt noch mit
!!! zu tun zu haben. Die funkigen Instrumente sind im Hintergrund gelegentlich
wahrzunehmen, während im Vordergrund clubbige Beats und crowdpleasende Sounds
den Zugang erschweren, weil sie den Eindruck von musikalischer
Oberflächlichkeit transportieren. Doch hat man es ja nun mal mit !!! zu tun,
die können zwar nach billigem Eskapismus klingen, füttern diesen aber mit ihren
Spezialitäten an.
Dazu gehören eben die handgespielten Instrumente, dazu gehören ebenfalls
komplexere oder unerwartete Stilwechsel und Arrangements, dazu gehören außerdem
großartige Stimmen, nicht nur von Nic Offer, der die größte Übereinstimmung zum
Frühwerk ausmacht, sondern auch von den vielen Gastsängerinnen, von denen Nicole
Fayu gleich mal Nic Offer selbst ist, der Schlingel. Und dazu gehören such
Themen, die !!! transportieren, wie man sie ansonsten in Clubs eher vermeidet;
mit „UR Paranoid“ warfen sie etwa einen schwierigen Vorabtrack des Albums ins
Internet und „Wallop“ war ein frühes Social Network.
Nach den eröffnenden Housetracks nun kehren !!! zum Song zurück. „Serbia Drums“
verlässt die pure Tanzbarkeit und mindert das Tempo, „My Fault“ geht in die soulige
R’n’B-Abteilung, „Slow Motion“ holt den Funk zurück. Spätestens „$50“ lässt die
alten Songstrukturen aufleben, wenn auch in modernem Gewand, also etwa mit
synthetischem Bass, der nicht weniger derbe groovt. Und das erfrischend poppige
„This Is The Door“, das mit seiner eigenen vortrefflichen Dubversion das Album
beschließt, hätte genau so auch aus den Achtzigern sein können. Dennoch, es
geht etwas von dem Atmosphärischen verloren, das den alten ungeschliffenen
Sound so besonders machte. !!! sind gereift, was ihre Produktionsweise
betrifft, schielen aber offenbar nach einem jüngeren Publikum, je älter sie
selbst werden. Feiert man !!! wegen „Feel Good Hit Of The Fall“, „Me
And Giuliani Down By The School Yard (A True Story)“, „Take Ecstasy With Me“
oder „Yadnus“, vermisst man auf „Wallop“ genau die Elemente, die jene Songs so
besonders machten. Die
Entwicklung bleibt enttäuschend, auch wenn das Niveau hoch und die Band weiterhin
bemerkenswert ist. Der Punk fehlt.
Hübsch ist das Cover, das einmal weniger aus drei sich wiederholenden Elementen
besteht, also dem Bandnamen angelehnt, sondern eine verschwommene Katze zeigt,
die auf einem zweifarbigen Hintergrund dem Betrachter mit übergroße
reflektierenden Augen entgegenblickt. Die Schallplatten bestehen entsprechend
aus den beiden Farben des Covers, also Altrosa und Dunkelgrün. Ein Downloadcode
ist enthalten.