Von Matthias Bosenick (31.07.2018)
Es liest sich spannender, als es letztlich ist, muss man bei aller Verehrung feststellen: Jean-Luc de Meyer, Charakterstimme von Front 242, und Jean-Marc Lederman, Soundsynthet von Bands wie The Weathermen, tun sich musikalisch zusammen, sie kombinieren ein Best-Of EBM aus Belgien sozusagen. Doch auch wenn Lederman einige hübsche Melodien und Geräusche einfallen und de Meyer vertraut eindringlich dazu dräut, erscheinen manche Beiträge verwirrend amateurhaft. Und das von solchen Experten. Eigenartig.
Drumfills, Melodiepatterns, Percussioneffekte: Alles sitzt, wo man es erwartet, und genau das macht die „Eleven Grinding Songs“ partiell so ungrinding. So kennt man es seit 35 Jahren, da haben beide Beteiligte schon deutlich größere Abweichungen vom klassischen EBM- und Synthiepop-Gewand gewagt. Das gilt gottlob nicht für alle Songs; in den anderen ist das Duo catchy und energetisch, tanzbar und dringlich, selbstironisch und fassettenreich – wie man es von einer EBM-basierten Electropopveröffentlichung des Jahres 2018 auch erwarten darf.
Bisweilen steht de Meyers Gesang etwas über den Dingen, als schaffe es Lederman nicht, diese schwere, dräuende, eindringliche Stimme mit ausreichend Volumen zu unterfüttern. Auf der Bonus-CD gibt es zwei Songs als Instrumentals zu hören; da fällt auf, worauf sich der verspielte Komponist wohl konzentriert haben mag, und dass den Liedern dennoch eine Stimme fehlt. Es zeigt: Nicht jedem Musiker gelingt es komplett überzeugend, de Meyer in einen ansprechenden Kontext einzubinden; das Projekt 32Crash etwa war etwas zu plakativ für den charakterstarken Sänger. Empfohlen hingegen seien ganz ausdrücklich C-Tec, Cobalt 60, Modern Cubism, Under Viewer sowie seine Beiträge bei Birmingham 6.
À propos Bonus-CD, die lohnt sich, aus vielerlei Hinsicht: Es gibt diverse exklusive Studiotracks, von denen gleich der erste, „Hell Needs You“, eine lustige, böse Abrechnung mit einem Unsympathen ist, dazu deutlich treibendere Remixe von unter anderem Sebastian Komor, dessen Version von „A Tribe Of My Own“ als einziger Track der gleichnamigen Vorab-EP auch hier enthalten ist, sowie die genannten Instrumentals. Sehr hübsch ist die zweite Version des Album-Rausschmeißers „The Revenant“, weil mit Cello begleitet; das ist ein wirklich neuer Rahmen für de Meyers Gesang.
„A Tribe Of My Own“ stellt gleichsam den größten Ohrwurm und den Hit des Albums dar, da kommen außerdem mindestens noch „Flowers And Birds And Bees“ und „Tout me faire rire“ heran. Auslöser für EP und Album war aber der Beitrag zu einer unveröffentlichten Compilation, für die Lederman und de Meyer Fad Gadgets „Back To Nature“ coverten – allerdings sind weder die Albumversion noch die Remixe auch nur annähernd gelungen, nicht nur im Vergleich zum Original. An dem war Lederman seinerzeit nicht beteiligt, wenngleich er sich seine temporäre Zusammenarbeit mit Frank Tovey auf die Fahnen schreibt. Auf der stehen neben The Weathermen und vielen Einmalprojekten auch noch Genes Loves Jezebel.
Offenbar machte den beiden die Zusammenarbeit an „Back To Nature“ so viel Spaß, dass sie noch ein gutes Dutzend Songs dazuproduzierten. Den Spaß hört man definitiv heraus, und wenn dies ein Auftakt gewesen sein sollte, gönnen wir dem Duo einfach noch etwas gemeinsame Reifezeit und genießen den Sommer mit „Eleven Grinding Songs“. Das geht.