Von Matthias Bosenick (05.07.2018)
50 Jahre alt und bis heute nicht nur in seinem Genre ungeschlagen: „2001: A Space Odyssey“ übertrifft kein Science-Fiction-Film davor oder danach, nicht einmal die originale „Star Wars“-Trilogie, und auch sonst reichen kaum andere Filme an diese Klasse heran. Zum 50. Geburtstag kommt Stanley Kubricks Kunstwerk von den Original-Negativen kopiert als 70-Millimeter-Version erneut ins Kino, komplett ohne Überarbeitung, so authentisch wie nur möglich und inklusive der ursprünglichen „Intermission“. Ein Fest!
Die Pracht dieses Werkes ist nicht nur in seinem Genre von Bedeutung, die Schublade SciFi sollte keinen Kunstinteressierten davon abhalten, sich auf den langen Weg durch Millionen Jahre Menschheitsgeschichte einzulassen. Diese neue Kopie scheint die Farbpracht des Films wiederhergestellt zu haben; bei früheren Vorführungen versanken manch dunklere Passagen in Unsichtbarkeit. Eine digitale Kosmetik, etwa wie bei „Star Wars“, ist auch gar nicht angebracht, „2001“ ist bereits perfekt.
Das muss man sich heute vor Augen halten: Man hat so viel gesehen und ist so von CGI verweichlicht, dass man kaum glauben mag, es mit einem Film zu tun zu haben, dessen Effekte auf Modellbau, Kulissen und Projektionen basieren. Kubricks Illusionen sind perfekt, so perfekt sogar, dass es bis heute Stimmen gibt, die behaupten, er habe nur ein Jahr später die tatsächliche Mondladung auf der Erde inszeniert. Dabei kann das nicht sein: Seine Mondwanderer lassen hier die geringere Schwerkraft in ihren Bewegungen etwas weniger realistisch erahnen, als der Mond es tatsächlich erwirkt; die Astronauten gehen zwar langsam, aber federn nicht. Huch! Also doch nicht perfekt. Aber nicht relevant oder auch nur irgendetwas mindernd (und man steckt auch die kleinen Anschlussfehler weg, wie den Wechsel des Buchstabens, mit dem die Raumkapsel bezeichnet wird, von „B“ zu „C“).
Was der Film lediglich zeigt, erzählt indes das Buch von Arthur C. Clarke; der Film bildet zwar alles ab, ist aber nur klar verständlich, sobald man das literarische Hintergrundwissen hat. Man verfolgt die Evolution des Menschen, ausgelöst vor 4 Millionen Jahren von einer nicht bestimmten und nie gezeigten außerirdischen Intelligenz. Die platzierte einen schwarzen Monolithen in eine Gruppe Urzeitmenschen, der diese zur Fortentwicklung anstieß, indem sie lernten, Werkzeuge zu nutzen – und sich gegenseitig zu töten. Zwei weitere im Sonnensystem versteckte Monolithen dienen diesen Außerirdischen als Indikator für den Fortschritt der menschlichen Evolution: einer auf dem Mond und einer in der Nähe des Jupiters, die Signale an diese Mächte senden, sobald die Menschen die Objekte entdeckt haben. Der Jupiter-Monolith dient zudem als Wurmloch zum Planeten dieser Außerirdischen – dort wird der letzte Überlebende der Jupiter-Mission mit dem Ursprung seiner seiner eigenen Existenz konfrontiert. Kreis geschlossen.
Was der Film zeigt: zunächst die Menschenaffen in Afrika, dann den Monolithenfund auf dem Mond, als drittes die von Bordcomputer HAL sabotierte Expedition zum Jupiter und abschließend die Reise in den Monolithen. Handlungen und Dialoge gibt es nur im zweiten und dritten Abschnitt. Die spärliche Begleitmusik besteht alternierend aus Klassik (Donauwalzer zu rotierenden Raumschiffen und Zarathustra bei Planetenkonstellationen, die mit der persischen Gottheit aus dem Titel des Stückes in Verbindung stehen – Kubrick gestaltete den Film sehr in die Tiefe) und verstörenden Chorgesängen. Als wohl bis heute einziger SciFi-Film zeigt „2001“ Außenansichten der Raumfahrzeuge im bekanntlich luftleeren All komplett ohne Geräusche, hart geschnitten an Sequenzen mit Alarmlärm. Der kunterbunte Flug durch den Monolithen empfiehlt sich als Alternative zum LSD-Konsum und dient laut Aussage von Pink Floyd als Bebilderung zu deren Song „Echoes“. Kubrick ist zudem ein Zauberer in Sachen Bildgestaltung, häufig bedient er sich symmetrischer Anordnungen, denen er bewusst asymmetrische gegenüberstellt. Und er hat eine Liebe zum Detail, die sich in einer vollständig erscheinenden Ausstattung offenbart. Obwohl sich scheinbar wenig auf lange Zeit ereignet, weil Kubrick gern lange unbewegte Einstellungen verwendet, birst jedes Bild nur so über vor Detailreichtum. Und wie aus einem statischen omnipotenten womöglich nicht seelenlosen Computer eine Bedrohung für Leib und Leben werden kann: gespenstisch.
Der Film ist ein Marsch, ein Ritt, und partiell unbequem, weil man an mancher Stelle das Gezeigte quasi in Echtzeit miterlebt, und doch ist es in jeder Sekunde ein Riesenvergnügen, eine gigantische Freude, weil das Erleben so vielschichtig erfolgt. Das beginnt und endet auf ähnliche Weise: mit schwarzer Leinwand und Musik, minutenlang. Der Fan bleibt natürlich sitzen. Und ergibt sich in Freude darüber, dieses – ja: – Meisterwerk einmal mehr im Kino gesehen zu haben. Unklar ist wohl noch, ob diese neue alte Version auch auf DVD und BluRay zweitverwertet wird oder ob diese dann doch eine digital restaurierte Fassung zeigt.