Von Matthias Bosenick (17.12.2017)
Der ansonsten den angenehm in Schieflage geratenen Indierock mit Wavewurzeln bevorzugende Perc mit seinem Hidden Gentleman untermauert den Ruf seiner Vielseitigkeit mit dieser Live-CD: Mitgeschnitten bereits vor 25 Jahren, dringt hier die Vorliebe der beiden Hauptmusiker für progressiven und krautigen Rock deutlich durch. Auf seinem eigenen Label bringt Perc Tom Redecker dieses ursprüngliche Bootleg jetzt mit einem Song mehr und digital überarbeitet neu unter die Leute. Zu Recht!
Hier ufert alles aus, was auf „Lavender“, dem Album zur Tour, bereits aufs Gegniedeltwerden ausgelegt war. Das Projekt hält sich musikalisch an keinem einzelnen Stil fest; so etwas war Anfang der Neunziger im Indiebereich noch normal, da wilderte man, wo man konnte, und mixte seine eigene Melange daraus. Hier fühlt man sich zunächst per Synthie ins All katapultiert; das passt zum progressiven Kraut, das Perc und Gentleman seinerzeit gern nach ihrem eigenen Gusto verhackstückten. Dabei hat Redeckers tiefe Stimme eine deutliche Nähe zum Waverock, was nicht verwundert, da die alten Perc-Alben bei Strange Ways herauskamen, auf dem unter anderem auch Chris Reed, Wolfsheim, Girls Under Glass, Kastrierte Philosophen, Carlos Peròn und Goethes Erben (sowie die Braunschweiger The Cain Principle) ihre Musik veröffentlichten. Zu sehr sollte man sich damit aber nicht in die falsche Richtung leiten lassen, gruftig ist „Praha“ mitnichten.
Nein, das Gniedeln und Fiedeln mit allen erdenklichen Instrumenten liegt der Band näher. Man rotiert gern mit der Musik herum, trancige Wiederholungen vertiefen den Eindruck einer Weltraumfahrt. Mit „Bronx Vanilla“ schleicht sich ein uralter Song in die Setlist, der hier proggt, was das Zeug hält, und „Respect & Devotion“ erinnert dann anfangs doch an den Neo Folk von etwa Death In June, bevor es in eine Richtung kippt, die zwischenzeitig sogar an Level 42 erinnert. Kurz vor Schluss covern sie „Heya“ von Jeronimo/Geronimo, den stark toxischen Mitsingrockschlager von 1969. Den fast achtminütigen funky Groove-Bonus „Swallow Me Blind/Passah People“ gab es auf den ursprünglichen Bootlegs nicht.
Redecker und Gentleman Emilio Winschetti haben auf diesem Mitschnitt ihre Stammband dabei, das Lavender Orchestra, und zusätzlich Gitarrist Jochen Schoberth von Artwork und Bella Donna. Der Mitschnitt aus dem Rock Club Bunkr in Prag erschien schnell als Bootleg, und zwar in solch famoser Qualität, dass die Band ihn bald offiziell nachschob. Und jetzt eben in der überarbeiteten und erweiterten Fassung, und die lohnt sich. Dies sei eines der besten Alben, an denen er beteiligt war, sagt Gastgitarrist Schoberth. Und der war an extrem vielen Platten beteiligt.