Von Matthias Bosenick (20.02.2017)
Der größte Provokateur Wolfsburgs und angrenzender Landkreise versucht sich am Thriller, und das auch noch mit respektablem Ergebnis: Schach ist das Grundthema, sowohl inhaltlich als auch formal. Und das soll ihm mal einer nachmachen. Die Form ist gewagt, die Sprache nicht minder. Als Bonus gibt es ein Büchlein mit „Outtakes“, also Geschichten von Bekannten Domins, die noch nie etwas veröffentlicht haben und denen er eine Plattform für ihre Gehversuche bietet. Ebenbürtig und interessant.
Als „satanistisch“ beschreibt der Autor selbst seinen Roman „Schwarzer Hafen“, doch das ist so kokett wie die meisten seiner Äußerungen. Sicherlich geht es hier um blutige und grausame Rituale, doch kämen die auch ohne den satanistischen Hintergrund aus, denn Kernthema ist vielmehr das altehrwürdige Schachspiel. Um der Handlung folgen zu können, bedarf es einiger Aufmerksamkeit und einigem Abstraktionsvermögen: Domin mischt die Zeit-, Personal- und Realitätsebenen. Wer sich mit Schach gut genug auskennt, mag darin womöglich eine Abfolge von klassischen Spielzügen wiedererkennen (das ist dem Autor zumindest zuzutrauen, schließlich thematisiert er diese Vorgehensweise in Bezug auf etwas anderes im Buch); jeden anderen Leser erinnert es eher an ein Puzzlespiel, was auch nicht verkehrt ist. Hier stoßen Schachspieler, Mörder, Opfer und Ermittler aufeinander, zeitlich versetzt, mit dazwischengesetzten Traumsequenzen und in unterschiedlichen Literaturgattungen und Sprachstilen abgebildet. Mit Fug und Recht ist dies als Domins bislang reifstes Werk aufzufassen.
Die Story ist zwar einfach, aber komplex dargereicht: Auf der niederländischen Nordseeinsel Ameland treffen sich scheinbar willkürlich ausgewählte Schachmeister, um in einem szenerelevanten Wettbewerb gegeneinander anzutreten. Dabei kommen einige auf bestialische Weise ums Leben. Sobald die Ermittler ihre Fundstücke richtig zusammenbringen, kommen sie hinter die Vorgehensweise und stören den Täter erheblich. Wie gesagt, das gleicht zwar eher dem Puzzle, doch ist Schach als Sujet ein hier gut gewählter Schachzug.
Sprachlich bewegt sich Domin zwischen Literatur und Kinderspielplatz, zwischen gekonnt und nicht gewollt, zwischen respektabel und hingewitschert. Kennt man seine schriftstellerische Vorgehensweise, nämlich in der Regel einfach nur zu schreiben, ohne hinterher groß nachzulesen und geradezurücken, kann man ihm für das vorliegende Ergebnis nur Respekt zollen. Geschenkt, dass Domin mit seiner Wortwahl und mit seinen Bildern gern und derb provoziert – das passt ins Geschehen.
Den Bonus-Sampler „Outtakes“ gibt es nur auf Lesungen. Hier lässt Domin Freunde zu Wort kommen: Marek Room-Boardley, den Gruftpunk Dan Scary, Claudia Charlotte Hartmann (alias MIOU), Berenice Leitner, Ana-Eva Beckzumeist, Geza Törö und Machyyre. Das Ergebnis ist fabelhaft: Jeder hat zwangsweise einen anderen Stil, jeder lässt seiner blutigen und sexuellen Fantasie freien Lauf, jeder weiß auf seine Weise zu fesseln oder zu schockieren. Diese Texte dürfte es ruhig freier verfügbar zu erwerben geben, als Doppelpack im Laden machte sich „Schwarzer Hafen“ sicherlich gut.