Von Matthias Bosenick (21.06.2015)
Eine herrliche Zufallsentdeckung im Urlaub ist das kleine Label Taxi Driver Records, das so heißt wie der dazugehörige Laden in Genua. Schwerpunkt ist Doom Metal in allen erdenklichen Spielarten, was bedeutet, dass filigran-schleppende schwarze Jazztöne ebenso vertreten sind wie Post-Rock, melodiöse Progressivität, kraftvoller Blues und 70er-selige Rifforgien. Das ist die richtige Musik für den Sommeranfang, die das Label nun mit einer kostenlos herunterladbaren Oeuvreschau anbietet.
Als wäre Genua als Stadt nicht schon geil genug, empfiehlt sich Taxi Driver Records als zusätzlicher Anreiz, seine Zeit in der Hafenstadt zu verbringen. „Taxi Driver 100“ ist der passende Soundtrack dazu. Es donnert, wie es die Unwetter zwischen Küste und Bergen in Ligurien oft tun, leider. Dann offenbart das Klima seine zerstörerische Kraft, rafft Autos und Häuser davon, walzt sich durch ausgetrocknete Flussbetten, reißt Bäume aus und mit sich, schlägt letztlich mit einer latent todbringenden Wucht ins Meer, wo längst die Wellen donnern, nicht minder infernalisch.
Diese Urgewalt kleiden die Bands auf „Taxi Driver 100“ in Musik, man kann das Bild weitgehend übertragen. Es donnert das Schlagzeug, es rumpeln Bässe, Gitarren flirren, wummern, malmen, schwelgen, stampfen, und dazu schreien sich Menschen orkanartig die Stimmen aus der Kehle.
Es ist angenehm, wie homogen die Bands dabei einerseits sind, wie unterschiedlich sie aber andererseits aber ihre jeweiligen Qualitäten ausspielen. Während die einen dezent dem Post-Rock den Vorzug geben, fallen andere inmitten ihres Gemalms in ein an die NWoBHM der frühen 80er erinnerndes Galoppieren. Wo die einen mit ihren Gitarren die Melodien zelebrieren, verwenden andere sie dazu, wüstenrockartige heruntergestimmte Riffs zu erzeugen. Wo die einen ihre ellenlangen Tracks verschachteln, bleiben andere auf gleicher Länge in einer Stimmung verhaftet oder kommen andere in wenigen Minuten auf den Punkt, knackig verpackt. Wo sich die einen in Heavyness ergehen, untermalen andere ihren düsteren Ambient mit einer Trompete. Wo die einen topmodern von der Gegenwart in die Zukunft preschen, zelebrieren andere mit eigenen Mitteln die Errungenschaften längst verblichener Vorbilder.
Diese Vorbilder sind sehr unterschiedlich, ebenso wie die Ergebnisse. Natürlich haben die Genuesen Neurosis, Kyuss und Black Sabbath gehört. Andere gehen weiter: Kröwnn etwa wildern in Skandinavien bei wikingischen Themen, Morgengruss haben bestimmt ein paar Alben von Bohren & der Club Of Gore im Regal stehen, Vanessa Van Basten verpostrockt „Fascination Street“ von The Cure zum „Fascination Trip“. Welcher Hörer schreit da nach tatsächlich Neuem? Das ist naturgemäß schwierig und findet sich hier in den Kombinationen, in der Umsetzung, im Crossover. Die Eigenständigkeit ist hier vermutlich eher in der Geographie repräsentiert, denn erwarten würde man diese Art von Musik nun mal nicht am zumeist sonnigen Mittelmeer. Qualität findet sich zudem im Handwerk und in der Komposition. Und hey, letztlich findet sich in den 80 Minuten einfach mal geile Mucke. „Taxi Driver“ sollte man auf jeden Fall im Auge behalten. Und beim nächsten Urlaub als Ziel einplanen. Ebenso wie Platz im Gepäck für ganz viel Vinyl.
Links:
Download von Taxi Driver 100 auf Bandcamp
Die Webseite des Labels und Shops
Tracklist:
01 Eremite – Drift Away 09:33
02 Hyperwülff – Raging Hunger 07:56
03 Nudist – See The Light Beyond The Spiral 07:46
04 Satori Junk – Monsters 09:23
05 Jussipussi – Bury You Deep 04:38
06 Psychedelic Witchcraft – Angela 04:57
07 Morgengruss – River’s Call 05:33
08 Kröwnn – Sleipnir 04:13
09 Antea – Distorted Truth 03:47
10 Flying Disk – I Don’t Feel Anything 02:59
11 Fabio Cuomo – Il Sogno Del Reale 05:28
12 Sator – R Sparrow Is Coming Back 09:02
13 Vanessa Van Basten – Fascination Trip 04:32