Von Matthias Bosenick (04.06.2015)
Schon wieder eine Reunion! Das Akustik-Depri-Folk-Party-Punk-Trio Violent Femmes aus Milwaukee beehrt die Menschheit 15 Jahre nach ihrem bis dato letzten Album mit einer neuen Vinyl-12“, veröffentlicht Ende April zum Record Store Day und betitelt nach dem Jahreswechsel, an den zum VÖ-Zeitpunkt niemand mehr oder noch niemand wieder denken mag. Mit an Bord sind erneut die Horns Of Dilemma, die bei aller Teenage-Angst-Schwermut schon immer für die musikalischen Pointen im Oeuvre der Gewalttätigen Weichlinge sorgten. Das Ergebnis sind 13 Minuten Akustik-Depri-Folk-Party-Punk in alter Manier und mit neuem humorvollen Ernst. Damit ist diese Reunion zumindest nicht überflüssig.
Die Violent Femmes standen schon immer Pate für die Nennung des kleinstnotwendigen Schlagzeugsets: Wo andere Schlaumeier Bassdrum, Snare, Hi-Hat aufzählen, weiß der Checker, dass die wechselnden VF-Drummer – Victor DeLorenzo, Guy Hoffmann und aktuell Brian Viglione – mit einer Snare und einem Satz Besen auskommen. Akustisch spielen Bassist Brian Ritchie und Gitarrist Gordon Gano, dessen markante nasal-quäkige Stimme bisweilen für die einer Frau gehalten wird. Dieser Basis bleiben die Violent Femmes auch auf „Happy New Year“ treu.
Auf den zurückliegenden acht Alben machten die Violent Femmes Ausflüge in alle möglichen Richtungen: Gothic, Gospel, Pop, Glam, Electro. „Happy New Year“ schließt einen Kreis zum selbstbetitelten Debüt von 1983: Sobald die Horns schweigen, ist die Musik sehr reduziert, akustisch halt; Ganos Stimme bildet den Kitt zwischen charakteristischen Akustikbassläufen, klaren Akustikgitarrenakkorden und dezenter Percussion. Das Trio beherrscht lateinamerikanische Rhythmen und Walzer, den geradlinigen Viervierteltakt unterfüttert es unter anderem mit Snarefills. Und mit den Horns, immer wieder. Tiefgestimmte Blasinstrumente, teilweise ohne eine klassische Melodie, und stadiontaugliche Backgroundshouts machen „Good For At Nothing“ zum heimlichen Hit dieser EP. Wie immer klingen selbst die fröhlichen Melodien nach latenter Depression, etwa im Titellied. „Fast Horses“ bildet den typischen suizidfördernden Rausschmeißer. Und mit „Love Love Love Love Love“ covern sie einen Musiker namens Jake Brebes im bandeigenen Latinostil.
„Happy New Year“ macht Spaß, hat eine hohe Qualität, erfreut den alten Fan, findet sicherlich keinen neuen, ist solide und okay zu besitzen, sieht man vom unverschämten Preis ab. Damit bilden die Violent Femmes den mittleren Aspekt der Reunions ab, ähnlich wie etwa The Wedding Present: Sie kehren zurück und verweilen in gleichbleibender Qualität auf ihrer Linie. Den oberen Aspekt darf man von ihnen nicht erwarten, nämlich den, nach der Wiedervereinigung plötzlich noch viel relevantere Musik zu machen, wie etwa die Swans. Gottlob sortieren sie sich nicht in die unterste Schublade ein, die der absolut überflüssigen Reunions mit schlechten neuen Alben, wie bedauerlicherweise bei den Pixies.
Dabei war dies sogar schon die zweite Trennung der Band. Zwischen 1987 und 1988 gab es einen Split, von dem man aber angesichts ausbleibender Ad-hoc-Informationen wie im Internetzeitalter in Europa gar nichts mitbekam. Nach dem Jahr 2000 und dem Album „Freak Magnet“ revanchierten sich die Violent Femmes lediglich 2008 mit der wundervollen Single „Crazy“ bei Gnarls Barkley, die vorher ihr „Gone Daddy Gone“ gecovert hatten. Darüber hinaus gab es einige Resteverwertungen, ansonsten war Stille angesagt, wo die Musiker sich nicht in eigene Projekten austobten. Bis zu einigen Konzerten vor zwei Jahren, zunächst sogar noch mit Ur-Drummer Victor DeLorenzo, den jetzt Brian Viglione von den Dresden Dolls ersetzt. Über die Zukunft des Trios sagt leider auch jenes selbst zurzeit noch nichts.
Die 12“ ist in 180-Gramm-Dichte gepresst und kommt in einer uringelben semitransparenten Farbe, die offiziell „champagne clear“ heißt. Nun denn. Ein Downloadcode liegt bei.
Um übrigens mal mit einem weit verbreiteten Irrtum aufzuräumen: „Femmes“ heißt hier nicht „Frauen“ und wird daher auch nicht französisch „famm“ ausgesprochen. Vielmehr spricht man es „femms“ aus und meint damit so viel wie „Weicheier“. Mit diesem Hintergrund steht auch das Wort „Violent“, also „brutal“, „gewalttätig“, in einem gegensätzlicheren Kontext zu „Femmes“. Besserwissermodus aus.