Yo La Tengo – Sleepless Night – Matador 2020

Von Matthias Bosenick (16.03.2021)

Wenn man sich von Corona künstlerisch nicht niederschmettern lässt, nimmt man eben auch distanziert neue Platten auf. Yo La Tengo gleich zwei, „We Have Amnesia Sometimes“ zunächst nur als Download, inzwischen auch auf Vinyl erhältlich, und „Sleepless Night“ als einseitig bespielte 12“-EP. Darauf macht das Trio aus Hoboken das, was es besonders gern macht: andere Leute covern. Die sechs Stücke begleiteten ursprünglich eine Ausstellung des Künstlers Yoshitomo Nara in Los Angeles, und der durfte selbstredend das Cover dieser Cover-EP gestalten. Entspannter Indie-Poprock ohne Noiseausbrüche, schön zum Runterkommen.

Mit einem reduzierten „Blues Stay Away“ der Delmore Brothers eröffnen Yo La Tengo die Platte. Das beinahe fröhliche „Wasn’t Born To Follow“, im Original von Goffin & King komponiert sowie von The Byrds für „Easy Rider“ aufgenommen, trägt Dank Gast-Gitarrist Dave Schramm deutliche Countryspuren; es ist das einzige voll instrumentierte Uptempo-Stück der EP. Sanft setzen die drei Yo La Tengos den Reigen mit „Roll On Babe“ fort, komponiert von Derroll Adams, der übrigens 1974 mit Hamish Imlach und Dave Travis ein Livealbum in der Commode 2000 in Wolfsburg aufnahm. Hier kommt die 1993 im Bandsound etablierte Orgel zum Einsatz, dazu mehrstimmiger Gesang – überdies ist auf dieser Platte ohnehin wieder mal jeder mit Singen dran – und keine Drums mehr. Bob Dylans „It Takes A Lot To Laugh, It Takes A Train To Cry” bekommt die Leere, die Yo La Tengo bisweilen auch auf ihren eigenen Stücken mit Hall auf der lediglich spärlich eingesetzten E-Gitarre erzeugen; ein leise pulsierendes Geräusch ist das einzige weitere Instrumentarium. Der Song hätte so auch von den Cowboy Junkies sein können, Geschwistern im Geiste ohnehin. Auch „Bleeding“, die einzige Eigenkomposition, atmet mit ausbleibenden Drums und hallender Gitarre zu leisen Instrumentaltupfern und spärlichen Experimenten den Hauch des Sanften. Zum Abschluss bestätigt das auf der Akustikgitarre gezupfte „Smile A Little Smile For Me“ von The Flying Machine die grundsätzlich positive, wenn auch enorm verhaltene Stimmung dieser EP.

Eine „Sleepless Night“ hat man also nicht wegen der Musik, sondern vielmehr mit der Musik eine angenehme Möglichkeit, diese Schlaflosigkeit zu verbringen. Weit experimenteller und unentspannter geht es auf den fünf Stücken des „Amnesia“-Albums zu, das eben die andere Seite von Yo La Tengo zeigt. Oder besser, eine andere Seite, denn Seiten hat diese Band enorm viele. Und die Freude am Herumspielen auch über all die Jahre nicht verloren, jede Veröffentlichung von Yo La Tengo ist die Aufmerksamkeit wert.

In den USA und in Europa gibt’s die EP als einseitig bespielte 12“, in Japan auch als 7“ inklusive CD. Das größere Format ist da reizvoller, weil man im Artwork von Yoshitomo Nara herumsuchen und unzählige Bandnamen entdecken kann. Damit ist man sogar deutlich länger beschäftigt als mit dem Hören der Musik, denn die EP ist keine 20 Minuten lang. Hört man sie halt nochmal. Und die B-Seite der 12“ zeigt das wohl lustigste Etching aller Zeiten: eine krakelig aufgemalte Schallplattenrille.